Sie ist die Hörspielkönigin, hat bis heute mehr als 2000 Hörspiele produziert und 180 Gold- und Platin-Schallplatten erhalten: Heikedine Körting (70). Er gründete das Label EUROPA vor fünfzig Jahren und hat gemeinsam mit seiner späteren Ehefrau Heikedine Körting den Erfolgs-Weg für das Kinder-Hörspiel geebnet: Andreas E. Beurmann (87). Zum fünfzigsten EUROPA-Jubiläum nehmen sich die beiden Hörspiel-Legenden Zeit und blicken zurück auf die vergangenen Jahrzehnte.

1966: Miller-Grundsteinlegung: Dave Miller, Harald A. Kirsten, Frank Reidenbach (Architekt), Andreas Beurmann
Foto: EUROPA (Fotogalerie unten)
Die junge Heikedine Körting
Foto: EUROPA
Studio Körting in der Agnesstrasse
Foto: EUROPA
Studio Körting 1992
Foto: EUROPA
Heikedine Körting im Studio
Foto: EUROPA

Herr Beurmann, Sie haben das Label EUROPA 1965 erfunden. Wie haben Sie sich das Hörspiel-Machen vorgestellt?

Andreas E. Beurmann: Wie ein Film ohne Bild. Mit verschiedenen Rollen und Geräuschen und natürlich viel Musik. Wobei es mir als Musikliebhaber und Klassikfan ein großes Anliegen war, die Kinder heranzuführen an klassische Musik, indem ich jeweils passende Einblendungen vornahm.


Was waren die Gründe für den schnellen Erfolg?

Andreas E. Beurmann: Das lag am Produkt natürlich…
Heikedine Körting: …und am Preis. 5 Mark die Schallplatte. Das war der Knüller. Denn andere Kinderplatten kosteten damals schon um 19 D-Mark. Und dann kamt ihr mit diesem 5 Mark- Taschengeld.


Mit Ihrer Preispolitik haben Sie dem Kinder-Hörspiel zum breiten Durchbruch verholfen. Wer hat es Ihrer Einschätzung nach erfunden?

Heikedine Körting: Wir wollten eine neue Ebene, ein komplett neues Medium schaffen, das sich dadurch auszeichnet, dass es sehr lebendig klingt. Augen zu, Ohren auf, Film ab. Man wurde in die Welt versetzt durch die Geräusche, durch die Musik. Es sollten fantasieanregende Geschichten sein. Das Hörspiel sollte etwas komplett anderes sein als das, was man bislang gehört hatte. In dieser Form haben wir das Kinderhörspiel also erfunden, das würde ich schon sagen. Zumindest aufgebaut und entwickelt.


EUROPA und Kinderhörspiele sind heute fest miteinander verbunden. Wie kamen es zum Namen EUROPA?

Andreas E. Beurmann: Ich bin ja Nachkriegskind, mir kam Europa viel zu langsam. Ich dachte: wir müssen doch ein Europa haben endlich, alle Staaten müssen sich zusammenschließen, wie in Amerika einen Staatbund bilden. Deswegen habe ich gedacht: da machen wir doch wenigstens ein Europa auf dem Schallplatten-Sektor. Und so kam ich auf den Markennamen EUROPA und habe auch das Logo gezeichnet…
Heikedine Körting (zustimmend): Wenn man heute dieses Rot-Weiß-Schwarz sieht, denkt man automatisch an EUROPA …


Was war das erste EUROPA-Produkt?

Andreas E. Beurmann: „Der Struwwelpeter“, aber das war noch gelesen. Mit dem wunderbaren Sprecher Hans Paetsch. „Grimms Märchen“ waren dann die ersten Hörspiele.


Frau Körting, wann haben Sie gemerkt, dass das Hörspiel Ihre Leidenschaft ist?

Heikedine Körting: Schon immer. Als Kind habe ich auch schon selber Hörspiele gemacht. Da war ich vielleicht zehn, zwölf. Hörspiel war schon immer mein Ding. Ich habe schon immer sehr, sehr gern gehört. Da passte verrückterweise die Arbeit hier wie Faust aufs Auge. Dann kam das große Glück dazu, dass mein späterer Mann mich gleich hat machen lassen, mir nicht viel dazwischengeredet hat. Er sagte: mach mit deinem Bauchgefühl, wie du es für richtig hältst, und hat mich sehr unterstützt.


Lassen Sie uns einmal über die Produktionen sprechen, über das Kino im Kopf. Wie entsteht es?

Heikedine Körting: Das A und O ist, ein super gutes Buch zu haben. Das wird dann umgesetzt in eine Hörspiel-Dramaturgie von einem guten Autoren. In diesem Manuskript muss schon alles eingearbeitet sein, was für das Kopfkino wichtig ist. Ich versuche dann, es so lebendig und so natürlich herzustellen, wie es nur geht. Es darf niemals das Gefühl aufkommen, da liest einem jemand den Text vor. Wichtig ist mir auch, dass im Hörspiel so viel drin ist, dass das Kind Spaß hat, es nochmal und nochmal und nochmal zu hören. Das ist uns bei unseren Live-Hörspielen aufgefallen, dass Hunderte auch zehn oder zwanzig Jahre später noch Texte mitsprechen können, auswendig. Dieser Wiederholungseffekt hat sich in die Köpfe gesetzt.


Gibt es abseits der großen Serien eine Serie, die Sie besonders bemerkenswert finden?

Heikedine Körting: „Hui Buh“ zum Beispiel. Absolut ober-besonders. Hans Clarin als Hui Buh in Verbindung mit Hans Paetsch als Erzähler, diese Kombination. Eine exzellente Besetzung. Eine meiner großen Lieblinge ist immer noch „Hexe Schrumpeldei“. Herrlich. Einzigartig. „Hanni und Nanni“ ist die älteste Serie, die wir nach wie vor produzieren. Es ist bezaubernd, wenn die inzwischen ja älteren Damen zusammenkommen, sind sie wieder wie kleine Mädchen. Dann liebe ich auch ganz besonders die Gruselgeschichten wie „Macabros“, „Larry Brent“. Sehr anspruchsvoll, sehr speziell. Oder auch die „Gruselserie“, oh!


Wie halten Sie Kontakt zu Ihren Fans?

Heikedine Körting: Da habe ich intensiven Kontakt. Früher habe ich fast waschkörbeweise Briefe bekommen. Heute geht viel über Facebook, alleine die Fragezeichen-Plattform hat ja 170.000 Mitglieder.


Welche ganz besonderen EUROPA-Momente aus fünf Jahrzehnten sind Ihnen in Erinnerung, positiv wie negativ?

Andreas E. Beurmann: Eine echte Krise war in den 90ern, als die Hörspiele praktisch aufhörten. Man hat es nicht gerne, wenn man bei dem, was man so gerne gemacht hat, plötzlich einen Abfall merkt. Dann ging es ja Gott sei Dank wieder aufwärts mit den Hörspielen. Das ist einfach toll gelaufen. Insgesamt hatte ich immer Freude und Spaß an meinen Tätigkeiten, das kann man ganz klar sagen. Mir ist es immer gut gegangen. Mein ganzes Leben war ein Glücksfall.


Frau Körting, gibt es weitere Momente, Begegnungen, Entwicklungen aus 50 Jahren EUROPA, die Ihnen besonders in Erinnerungen sind?

Heikedine Körting: Als ich meine erste Produktion selbst durchführen konnte, „Die kleine Seejungfrau“. Da hatte ich zum ersten Mal die Chance, mit Hans Paetsch eine Aufnahme zu machen. Und plötzlich wurden die geschriebenen Worte wie Musik. Das war einzigartig. Aber auch das herbe Trauerspiel mit dem Ende der Kassette, das hat einem schon weh getan. Bei den Aufnahmen kann ich mich erinnern, dass bei einer Folge der „Gruselserie“ Gisela Trowe und Katharina Brauren zwei Schwiegermütter sprachen. Da gibt es eine so dramatische Szene, in der die beiden Frauen so herrlich miteinander spielen, dass ich an der anderen Seite am Mischpult geheult habe ohne Ende. Mir liefen die Tränen nur so runter, so intensiv haben die gespielt und so glaubhaft. Das war ein ganz, ganz bewegender Moment. Ich liebe alle unsere Schauspieler über alle Maßen.


Wie lange machen Sie diese Arbeit noch?

Heikedine Körting: Ich hätte es vor Jahren nicht gedacht, dass ich heute noch dabei bin. Wenn ich merke, dass ich es nicht mehr kann oder man es nicht mehr so mag, wie ich es so mache, dann würde ich auch ohne Probleme sagen, ok, dann ist es vorbei. Aber solange man es noch mag und mich noch dabei haben mag, mache ich weiter. Ich liebe Hörspiel und ich liebe es, zu produzieren. Das ist einfach eine so große Freude.


EUROPA veröffentlichte diese Highlights eines Interview anlässlich ihres 50. Geburtstags am 30. September 2015.

1966 PM Der Ford der Schallplatte1966 Miller Grundstein Dave Miller XXX Harald A. Kirsten XXX Frank Reidenbach Architekt Andreas BeurmannHeikedine Körting früherStudio Körting AgnesstraßeStudio Körting 1992Heikedine Körting im Studio
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