„Anschlag auf die Achterbahn“ ist das einzige Buch von André Minninger, der seit Jahren die Drehbücher zu TKKG-Hörspielen schreibt und auch selbst Originalgeschichten beisteuert. Das vorliegende Buch basiert auf einem seiner Hörspiele: Folge 156 „Erpresser fahren Achterbahn“. Es ist das erste Hörspiel, welches nicht auf einer Geschichte von Stefan Wolf (Rolf Kalmuczak) basiert. Die Handlung des Buches lässt sich schnell zusammenfassen. TKKG haben einen Gastschüler, dessen Vater − ein Schausteller − erpresst wird. Da er nicht auf die Forderungen eingeht, wird auf eines seiner Fahrgeschäfte ein Anschlag verübt. Es ist jedoch nicht die titelgebende Achterbahn, welche übrigens einen anderen Namen als im Hörspiel trägt. TKKG sind unmittelbar betroffen und schalten sich selbstverständlich ein. Dieses Buch ist eines der kuriosesten der elf bisher beim cbj erschienenen neuen TKKG-Geschichten. Das Hörspiel, welches die Vorlage des Buches darstellt, erschien im November 2007. 2008 war das erscheinen des 109. TKKG-Bandes für den August geplant. Titel und Cover standen damals bereits fest und sind mit dem gedruckten Buch identisch. (Daher rührt u. a. die Abweichung im Namen der Achterbahn.) Die Klappentexte unterschieden sich jedoch. Der Ankündigung war folgende Inhaltsangabe beigefügt: Was ist bloß mit Robert los? Der neue Gastschüler, der mit seinem Vater von Jahrmarkt zu Jahrmarkt zieht, scheint große Sorgen zu haben. Robert vertraut sich Karl an: Sein Vater wird erpresst! Er soll innerhalb von 48 Stunden € 100.000,- in einem Koffer hinterlegen, sonst drohen die Verbrecher die Achterbahn „Alpenblitz“ zu sabotieren. Keine Frage, dass die TKKG Robert zur Seite stehen und versuchen, die Erpresser dingfest zu machen. Doch als sie Kommissar Glockner in die Ermittlungen einschalten, droht die Situation außer Kontrolle zu geraten …
Die Erstauflage ziert einen anderen Klappentext: Riesenrad, Karussell und Achterbahn - der Jahrmarkt ist in der Stadt! Robert, der Sohn einer Schausteller-Familie geht seit ein paar Tagen in die Klasse von TKKG. Die vier Freude merken schon bald, dass der nette Junge große Sorgen hat. Da vertraut sich Robert Karl an: Er muss schnellstens 100 000 Euro herbeischaffen - sonst droht eine fürchterliche Katastrophe. Klar, dass TKKG sofort die Ermittlungen aufnehmen. Die Zeit drängt …
Beide Klappentexte sind falsch. Ein Robert taucht im Buch nicht auf. Der Sohn des Schaustellers heißt wie im Hörspiel Stefan. Und Stefan vertraut sich niemals Karl an, sondern immer der gesamten TKKG-Bande. Außerdem erzählt er TKKG versehentlich von der Erpressung. Darüber hinaus wird von seinem Vater Geld verlangt und nicht von ihm. Es gibt keinen Koffer, keine Drohung die Achterbahn zu sabotieren und TKKG schaltet nicht Gabys Vater ein − das übernimmt die Polizeibehörde. Stefan ist übrigens nicht wirklich bereits seit ein paar Tagen in der Klasse von TKKG. Der Fall spielt an drei Tagen und nur am ersten ist Stefan zusammen mit TKKG in der Schule − zumindest ist es die einzige Szene, die im Buch beschrieben wird. Es ist schon merkwürdig − bei Erstauflagen − einen anderen Klappentext zu haben, der genauso falsch ist, wie der in der Ankündigung. Dies ist allerdings nicht der einzige Fehler: das Buch hat noch viele weitere. Ich vermute, das Manuskript musste unter großem Zeitdruck entstehen. Im August 2008 erschien es nämlich nicht. Auch nicht Anfang 2009. Erst Mitte April 2009 und somit nach Band 110 (März) war es soweit. Der Grund ist laut Verlag André Minningers verspätete Abgabe des Manuskripts. Bevor wir zum größten Fehler kommen ein kleiner vorweg: Auf Seite 108 liest Stefan den ersten Erpresserbrief vor. Anders als im Hörspiel soll dort am 14. August im Spülkasten der Herrentoilette 50 000 EUR hinterlegt werden. Im Hörspiel sind es am 15. September 100 000 EUR im letzten Waggon der Achterbahn „Alpenflitzer“. Im Buch gibt es mehrere Erpresserbriefe, bei denen die Summe ansteigt und sich die Übergabeorte ändern. Der Witz ist, dass sowohl im Buch als auch im Hörspiel Oktober ist und der Erpresserbrief vor vier Wochen eingetroffen sein soll. Dies harmoniert im Buch überhaupt nicht mit dem Übergabetag. Im Buch steht weiterhin, die TKKG-Freunde hätten gerade die Herbstferien hinter sich. Daher ist folgenden anzunehmen: Der erste Oktober dürfte wohl kaum der erste Tag der Handlung sein. Stefan Rüter kommt im Verlauf der Geschichte in Untersuchungshaft. Dies aber völlig zu Unrecht. Denn alleine durch eine Verhaftung kann er nicht in U-Haft gelangen. Nur ein Richter, dem er vorgeführt werden muss, kann die Untersuchungshaft beschließen. Außerdem darf eine Untersuchungshaft nur angeordnet werden, wenn beispielsweise Fluchtgefahr, die Wiederholung der Tat oder Verdunklungsgefahr besteht. Verdunklungsgefahr bedeutet, dem Täter wäre es zuzutrauen Beweismittel zu vernichten, verfälschen oder beispielsweise Zeugen zu beeinflussen. Nichts von all dem liegt vor. Lediglich der „Tatverdacht“ mit einem stichhaltigen Beweismittel. Stefans Vater schont seinen Sohn vor der Haft durch die Hinterlegung einer Kaution. Soweit so gut. Jedoch wäre eine Haftschonung bereits durch Auflagen möglich. Dies könnte beispielsweise das regelmäßige Melden beim Polizeirevier sein, wenn beispielsweise Fluchtgefahr besteht. Folglich darf Kommissar Glockner gar nicht so handeln und ist nicht gezwungen, den Jungen in Haft zu nehmen. Untersuchungshaft darf ausschließlich der Ermittlungsrichter beantragen, um sicherzustellen, dass der Beschuldigte bei der Gerichtsverhandlung anwesend ist. Damit hat sich André Minninger einen groben Schnitzer erlaubt. Dies lässt auf eine mangelhafte oder gar fehlende Recherche für den Fall schlussfolgern. Rolf Kalmuczak, alias Stefan Wolf, gab in Interviews an, für seine Fälle − zum Beispiel „In den Klauen des Tigers“ − umfangreich recherchiert zu haben. Ihn sind allerdings trotzdem viele derartige Patzer passiert. Ich schreibe das immer der Zeit zu – die Bücher sind wohl oft innerhalb kürzester Zeit niedergeschrieben worden. Im Vergleich zum Hörspiel sind viele Dialoge anders. Dadurch ändern sich ebenfalls einige Fakten. Stefan wird im Hörspiel beispielsweise früher aus der U-Haft entlassen. Die Störenfriede Volker Mars und Felix Krummbein gehen im Hörspiel in die 9b wie TKKG und sind beide einmal sitzen geblieben. Angenommen es wäre normal mit vierzehn Jahren in der neunten Klasse zu sein, wären sie fünfzehn Jahre alt. Nun sagt Tim im Hörspiel, die beiden dürften wegen des Sitzenbleibens rauchen. Das ist natürlich falsch. Im Buch ist dies korrigiert. Da klärt Karl (nicht Tim) auf: Die beiden seien zwei Mal sitzen geblieben und gingen in die Parallelklasse. Rechnerisch sind sie somit sechzehn Jahre alt und durften bis zum 31. August 2007 rauchen. Seit dem ersten September 2007 ist die Abgabe von Tabakwaren nur noch an Personen über 18 Jahren erlaubt. Kindern und Jugendlichen ist seitdem das Rauchen an öffentlichen Orten untersagt. Somit spielt die Handlung im Jahr 2006 oder André Minninger hat die hitzigen Diskussionen damals nicht mitbekommen. Genauso unverständlich wie die TKKG-Freunde in der neunten Klasse zu haben, wofür André Minninger aber nichts kann, ist seine Vorstellung, im Deutschunterricht in dieser Jahrgangsstufe bereits Goethes Faust zu lesen. Das ist eigentlich typisches Material für die Oberstufe. Wenn jemand bereits in der neunten Klasse Faust im Unterricht hatte, möge er mich bitte eines Besseren belehren. Die Idee, das Buch mit Faust beginnen und enden zu lassen, also einen Rahmen zu schaffen, finde ich jedoch gut. Im Hörspiel wird übrigens nicht erwähnt was vorgelesen werden soll und wer vorliest (Gaby). Einige weitere Unterschiede zum Buch decke ich in meiner Rezension zum 156. Hörspiel auf. Die Geschichte finde ich − von den Fehlern abgesehen − durchaus interessant. Langeweile kam bei mir − vielleicht aufgrund der Kürze des Buches (große Schrift und geringe Seitenanzahl) − nicht auf. Überaus amüsant sind die Auftritte von Kommissar Glockner. Zunächst wird er nur mit seiner markanten Eigenschaft, einen Hut zu tragen, beschrieben. Das hat mir gefallen. Die Überleitungen der Kapitel sind dem Autor gelungen. Gegen Ende schließen sie häufiger mit einer Beobachtung, die die Gegenpartei beim Arbeiten zeigt, ab. Es gibt mehr moderne Bezüge im Buch als im Hörspiel: Kommissar Glockner schreibt SMS und Jugendliche sprechen sich mit „Digger“ an. Das Buch erinnert sehr schön an typische TKKG-Bücher. Es ertönt der Gong zur großen Pause, Gaby klimpert mit ihren Wimpern und Tim wird eifersüchtig und ermahnt daher Gaby. Darüber hinaus kann Gaby (wie früher) ihren Freunden nicht sofort das Neueste von ihrem Papi verraten. Sie wartet bis zur großen Pause und bespricht sich mit TKKG in einer ruhigen Ecke auf dem Schulhof. Unliebsame Mitschüler werden durch das Laster des Rauchens unsympathisch und auf eventuell vom Rauchen hervorgerufenen Nebenwirkungen hingewiesen. Bei den Gangsterdialogen gibt es viele Anmerkungen über die finstere Pläne, die der Spannung keinen Abbruch geben − im Gegenteil. Ohne diese Informationen käme die Frage auf, wann es denn endlich mit dem Fall losginge. Der startet für TKKG offiziell erst auf Seite 92, genau 65 Seiten vor dem Buchende. Die Illustrationen von Reiner Stolte gefallen mir. Bei zwei Zeichnungen sind mir Fehler aufgefallen: Stefans Laptop wird durch einen flachen Monitor (wohl ein TFT) und eine Tastatur dargestellt (Seite 110) und im 13. Kapitel ist kein Achterbahnwaggon hinter Felix und Volker abgebildet. Im Buch wird jedoch beschrieben, wie Fahrgäste die Arme heben, um das zu greifen, was aus Felix und Volkers Waggon fliegt … Fazit Mir scheint das Lektorat (oder André Minninger selbst) kleinere Logikfehler bereinigt zu haben, aber nicht den größten, welcher die Dramatik verschärfen soll. Dies ist besonders dramatisch, da auf diesem Fehler nahezu das halbe Buch basiert und auch die Verbrecher mit dem falschen Umstand gerechnet haben − und mit dieser Vermutung sogar richtig liegen. Dieser Umstand zieht die Geschichte stark runter, ebenso wie die geringe Seitenzahl und der dadurch im Verhältnis hohe Anschaffungspreis. Spaß machen die Gangsterdialoge, die verschiedenen Teilszenen aus den Blickwinkeln der einzelnen Personen, welche wunderbar die einzelnen Kapitel zusammenfügen. Für Lacher und Schmunzler sorgen einige Gangsterdialoge und besonders die Zusammenkunft von Vater und Sohn Rüter, Rita Möller, der TKKG-Bande und Kommissar Glockner. Überhaupt ist die Darstellung von Gabys Vater sehr gelungen und nahezu jeder seiner Auftritte sorgt für ein Grinsel. Das Hörspiel weist den gleichen schwerwiegenden Logikfehler wie das Buch auf, doch wird der Untersuchungshaft kaum Beachtung beigemessen. Somit konnte ich beim Hörspiel gut darüber hinwegsehen. Hier ist das schwerlich möglich. Zum Ausgleich sind andere Logikfehler behoben und viele spaßige Szenen hinzugekommen. Den Mängeln zum Trotz bleibt es eine kurzweilige durchschnittliche TKKG-Geschichte, die ohne Logikfehler ein Hit gewesen wäre, denn bisher (bis Band 109) hat kein Autor sich so gut an die Vorgaben von Rolf Kalmuczak gehalten und die Kapitelüberleitungen so perfekt inszeniert, wie es teilweise der Originalautor tat.
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