Frau Klamm betrat mit gewohnt energischen Schritten
den Raum. Sie hielt aber die Tür offen, um einen
schmächtig aussehenden Jungen eintreten zu lassen, der
ihr gefolgt war. Sofort schloss sie die Tür hinter ihm,
stellte sich vor das Lehrerpult und rief ein betont fröhliches
»Guten Morgen« in den Raum. Mit militärischer
Disziplin wurde es von den Schülern erwidert. Die Klassenlehrerin
hielt sich gar nicht erst damit auf, die Schüler
nach ihrem Befinden während der vergangenen zwei
Wochen zu befragen, sondern winkte den Jungen gleich
zu sich und begann, ihn vorzustellen.
»Wie ihr seht, habe ich Besuch mitgebracht. Das ist
Stefan Rüter. Stefan ist der Sohn einer Schaustellerfamilie.
Da ab morgen der Jahrmarkt in unserer Stadt gastiert
und Stefans Privatlehrer an einer starken Grippe
erkrankt ist, haben sich seine Eltern kurzerhand dazu
entschlossen, ihn für die nächsten vier Wochen an unserem
Unterricht teilnehmen zu lassen.«
Obwohl Stefan Rüter alles andere als ein Schwergewicht
war, wirkte er durchaus nicht schüchtern oder gar
ängstlich. Im Gegenteil – er strahlte eine gewisse Selbstsicherheit
aus, die ihn sehr sympathisch wirken ließ. Dadurch
schmolz Frau Klamms angehängte Bitte, man möge
gut miteinander auskommen, zu einer überflüssigen Floskel
zusammen.
Tim hatte als Klassensprecher die ehrenvolle Aufgabe,
einige Worte an Stefan zu richten: »Hallo, Stefan. Im Namen
aller Schülerinnen und Schüler heiße ich dich herzlich
willkommen. Mein Name ist übrigens Tim.«
»Hi! Coole Gang hier. Ich glaube, bei euch lässt’s sich
’ne Weile aushalten.«