Band 103: Hölle ohne Hintertür

Band 103: Hölle ohne Hintertür
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Gebundenes Buch · 192 Seiten · 12.2 x 18.8 cm
cbj
22. August 2005
€ 7,50 [D] | € 7,80 [A] | CHF 13,90 (UVP)
978-3-570-15120-4
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Leseprobe

llustration von Seite 14/15.
llustration von Seite 14/15.

Als er bewusstlos zusammenbrach, ließen sie von ihm ab.
Für einen Moment wurde es still unter den Bäumen.
Plötzlich summten die Bienen nicht mehr. Der Sommerwind
hielt den Atem an und das Schnattern der Enten
drüben beim Badesee war verstummt.
Martin Flotosko lag auf dem Rücken. Damit er nicht
schrie, hatten sie ihm ein breites Paketklebeband auf den
Mund gepresst. Das war jetzt nicht mehr nötig, aber keiner
nahm es ihm ab.
»Reicht das?«, fragte Luigi.
»Klar!«, nickte Bernd. »Oder willst du ihn umbringen?«
»Hähä!« Luigi grinste wie über einen Witz. »Natürlich
nicht.Wir bringen niemanden um. Oder? Aber es ist eine
68 000-Euro-Abreibung. Ich meine, ob es dafür reicht?
Ob es die richtige Größenordnung ist?«
»Es reicht. Genau richtig als zweite Mahnung. Bei der
dritten wird’s schlimmer.Aber dazu kommt es nicht. Dieser
Weichheini zahlt. Das ist so klar wie der heutige Himmel.«

Illustration von Seite 88.
Illustration von Seite 88.

Luigi leckte sich über die Wulstlippen. Er war gebaut
wie ein Geldschrank, hatte schwarze Locken, einen fetten
Hals und noch nie für irgendwen Mitleid empfunden.
Sein liebstes Werkzeug war ein kurzer Totschläger, den
er unter seiner bunt gemusterten Jacke im Gürtel trug.
Luigi Morolato war mehrfach vorbestraft wegen schwerer
Körperverletzung, genau einmal mehr als Bernd Vorderstein.
Der Tatort befand sich hinter der Biegung eines
schmalen Weges im Klünitzer Wald.Wer um diese Zeit
hierher kam, gehörte zu den Badegästen und hatte zu
gute Manieren, um den See heimlich und unauffällig als
Latrine (Abort;Toilette) zu benutzen. Die Bäume hätten
verraten können, dass es nicht eben viele mit guten Manieren
waren während der sommerlichen Badesaison.
Aber die Bäume behielten ihr Geheimnis für sich.
In diesem Moment kam Gaby, von Oskar an der Leine
gezogen, um die Biegung des Weges.
Gaby trug ihren blauen Sonnenbikini und war mit sandigen
Füßen rasch in ihre Turnschuhe geschlüpft, als
Oskar mit eindeutiger Hunde-Körpersprache kundgab,
dass er mal musste. Schlimm genug, dass Vierbeiner am
Seeufer und im Wasser nicht erlaubt waren. Nicht auszudenken,
hätte er hier sein Geschäft gemacht.Also schnell
an die Leine mit ihm und nichts wie weg. Aber Oskar
hatte offenbar sein Bedürfnis vergessen, war auf dem
Weg einer Spur nachgehechelt und jetzt hatten sie sich
mindestens 300 Meter vom See entfernt – wenn nicht mehr.

llustration von Seite 108.
llustration von Seite 108.

Gaby verharrte wie angewurzelt. Oskar erstarrte zum
Hundestandbild. Gänsehaut auf Gabys Junibräune. Der
falsche Moment. Der falsche Ort. Gaby wusste nicht, ob
sie geschrien hatte. Ihr war danach. Ihre Gedanken jagten
und der Puls war plötzlich auf doppelter Schlagzahl.
Luigi Morolato und Bernd Vorderstein. Sie kannte die
beiden, hatte sie im Präsidium gesehen, als sie zum Verhör
dorthin gebracht wurden. Und sie wusste: Die beiden
kannten auch sie.
Gaby zitterte. Sie konnte nicht sehen, wer dort am Boden
lag.Vordersteins Füße verdeckten den Kopf.
»Verflucht!« Luigi keuchte. »Das ist die Tochter von
Glockner.«
»Dem schlimmsten Bullen im Lande. Dreimal verflucht!«
Weglaufen?, schoss es Gaby durch den Kopf. Aussichtslos.
Die holen mich ein.
Sie war nur wenige Schritte entfernt – und jetzt noch
weniger, denn die beiden Kriminellen – im Präsidium als
Knochenbrecher etikettiert (benannt) – kamen rasch auf
sie zu.
Oskar knurrte kurz, wich dann zum Wegesrand aus
und hockte sich dorthin, um endlich sein Geschäft zu verrichten.
Wenn ich um Hilfe rufe, wusste Gaby, schlagen sie mich nieder.

llustration von Seite 182.
llustration von Seite 182.

Sie schlang die Arme um sich, reckte aber trotzig das
Kinn. Dabei glitt der Blick zu dem Bewusstlosen und
sie traute ihren Augen nicht. Martin Flotosko! Ja, das
war Martin. Ein Schüler der Internatsschule. Ein Interner.
18 Jahre alt, in der 12. Klasse, ziemlich beliebt, obwohl
er gern mit dem Geld seines Vaters prahlte, und ein
bisschen ausgeflippt, denn er wettete ständig – über alles
und mit jedem.
Das wirbelte Gaby durch den Kopf, als sie auf den Bewusstlosen
starrte. Er hatte keine Verletzung im Gesicht,
war aber totenbleich. Offenbar hatte er Lauftraining gemacht,
trug Turnhose, Marathonschuhe und ein nass geschwitztes
Shirt. Blutete sein Knie? Jetzt sah sie auch,
dass ein braunes Plastikband auf seinem Mund klebte.
Sie bauten sich dicht vor ihr auf. Gaby hielt Oskars
Leine fest, im Moment ihr einziger Halt. In Morolatos
Hand lag der Totschläger.