Band 085: Im Kaufhaus ist der Teufel los

Band 085: Im Kaufhaus ist der Teufel los
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Gebundenes Buch · 192 Seiten · 12.2 x 18.8 cm
cbj
Juli 2004
€ 7,50 [D] | € 7,80 [A] | CHF 13,90 (UVP)
978-3-570-15085-6
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Leseprobe

llustration von Seite 48.
llustration von Seite 48.

„Diese Flüssigkeit ist meine Erfindung", sagte Sebastian Szdoba. „Ein Produkt aus meiner Hexenküche. Tja, als chemischer Erfinder bin ich Weltspitze. Eigentlich müsste ich den Nobelpreis kriegen. Aber der ist ja kümmerlich im Vergleich zu dem, was wir wollen. Fünf Millionen Euros oder wenigstens D-Mark! Ja, die werden wir erpressen." „Sieht ganz harmlos aus", meinte Egon Flauch und betrachtete das kleine Fläschchen mit der wasserhellen, etwas klebrigen Flüssigkeit.
„Haben große Erfindungen so an sich. Du kannst auch 'ne H-Bombe streicheln, solange sie nicht explodiert."
Sie befanden sich im Keller von Szdobas baufälligem Häuschen. Der verkrachte Chemiker hatte sich ein Labor eingerichtet, in dem es unangenehm roch. Flauch müsste an die Analdrüsen eines Stinktiers denken. Aber Szdoba hatte Fachchinesisch gelabert, hatte von Diffusion, Suspension und Fraktionierung geredet, was auch immer das in der Chemie bedeuten mochte.
Einerlei! Wichtig war nur das Ergebnis.
„Ich führe es dir vor", sagte der Chemiker. „Nebenan."
Dort war der ehemalige Kohlenkeller, ein fensterloser, bunkerartiger Raum. Man hatte die Kohlenrutsche zugemauert und nur einen winzigen Schacht zur Entlüftung gelassen.
Der Raum enthielt lediglich einen alten Gartentisch, auf dem ein billiges Radiogerät mit CD-Player stand.
„Läuft auf Batterie", erklärte Szdoba.
Er nahm eine silberne Scheibe. Flauch erfuhr nie - und es interessierte ihn auch nicht -, ob es eine Musik-CD war oder ein Hörspiel.
Mit einer Pipette tröpfelte der Chemiker drei, vier winzige Perlen seiner Höllentinktur auf den Tonträger. Die Scheibe wurde eingelegt. Klappe zu. Szdoba schaltete das Gerät ein.
„Jetzt aber raus!"
Er schloss von außen die Stahlblechtür.
Stille. Ein Atemzug. Dann die ohrenbetäubende Explosion.

Illustration von Seite 99.
Illustration von Seite 99.

„Hört sich gut an, wie?"
Szdoba öffnete die Tür.
Ein paar Teile vom Radio, die innen daran klebten, fielen zu Boden. Das Gerät war zertrümmert in tausend Teile. Beißender Gestank füllte den Raum, war aber von anderer Duftnote als der im Labor. Plastikstaub mülmte herum.
„Toll, was?" Szdoba grinste.
Er war 32, genau 163 cm groß - wenn er sich reckte - und fleischig wie eine prallgefüllte Kalbswurst. Das runde Mondgesicht wirkte freundlich und er hatte auch durchaus angenehme Eigenschaften in seinem Charakter. Aber meistens wurden die überwuchert von maßlosem Geltungsdrang und einer krankhaften Geldgier. Wobei ihm Geld an sich egal war. Aber er hielt es für das einzige Mittel, um sich in dieser Welt Respekt zu verschaffen.
Egon Flauch war drei Jahre älter und einen Kopf größer. Eckiges Gesicht, blonder Bürstenschnitt, der schon grau wurde, nur vier Finger an der linken Hand - der fünfte war einer Heimwerkermaschine zum Opfer gefallen - und eine glockenhelle Stimme, die er hasste. Von Fremden wurde er am Telefon oft mit ,mein Fräulein' angeredet.
Flauch hatte sich in verschiedenen Jobs versucht - als Schuldeneintreiber, Agent für Jungmodels, Hochzeitsfotograf und Hundefrisör. Aber all das war mit Arbeit verbunden - und die hasste er fast genauso wie seine Stimme. Einen reichen Erbonkel besaß er nicht. Also kam er fast zwangsläufig auf die schiefe Bahn. Mit Szdoba hatte er den idealen Partner.
Sie gingen ins Labor zurück.

Illustration von Seite 118/119.
Illustration von Seite 118/119.

„In der Audio-Abteilung vom NJ", sagte Szdoba, „sind die CD-Hüllen gefüllt. Alle und immer."
Flauch nickte. „Leere Hüllen findest du nur noch in kleinen Tonträgerläden. Ein Verkäufer. Und der hat die Augen in der Tasche. Da könnte geklaut werden, dass die Pleite ins Haus steht. In so kleinem Rahmen ist es auch immer schön möglich, dem Kunden die Scheibe in die Hülle zu legen. Bei dem Riesenangebot in der NJ-Audio-Abteilung ginge das nie."
NJ war die volkstümliche Abkürzung für das größte Kaufhaus in der TKKG-Stadt - für das Kaufhaus ,Neues Jahrtausend'. Ein riesiger Block in der City, erbaut nach Pariser Vorbild, modern, funktionell, chic, interessant für den kleinen Geldbeutel wie auch für die ,neuen Erben'.
„Wir könnten uns dort nach Herzenslust tummeln", fuhr Flauch fort. „Auf jede CD ein paar Tropfen und das Chaos wäre perfekt."
„Aber das riskieren die nicht. Ich meine die Geschäftsleitung vom Neuen Jahrtausend."
„Nie. Unsere fünf Millionen, das ist für die ein Verlust, den sie abschreiben können. Da muss sogar das Finanzamt mitspielen. Wichtig ist nur der Kunde. Und der muss die Garantie haben, dass seine CD tönt und nicht explodiert."
Szdoba lachte. „Stell dir vor, überall in der Stadt explodieren die CD-Player. Himmel! Da gäbe es ja massenhaft Verletzte."
Er blickte erschreckt. Offenbar kam ihm das erst jetzt in den Sinn.
„Dazu wird es nicht kommen. Das Neue Jahrtausend gibt uns die Kohle und das Problem ist vorn Tisch."