Band 083: Klassenfahrt zur Hexenburg

Band 083: Klassenfahrt zur Hexenburg
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Gebundenes Buch · 192 Seiten · 12.2 x 18.8 cm
cbj
Juli 2004
€ 7,50 [D] | € 7,80 [A] | CHF 13,90 (UVP)
978-3-570-15083-2
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Leseprobe

llustration von Seite 19.
llustration von Seite 19.

21.12 Uhr, zwei Tage vor den Pfingstferien, ein schwüler Abend mit Mücken in der Bude ,Adlernest'. Tim kam aus dem Waschsaal, hatte sich die Zähne geputzt und war überhaupt noch nicht müde. Klößchen lag auf seinem Bett, lutschte Schokolade und las in einem Fremdenführer über Nord-Schottland, wohin er in drei Tagen mit seinen Eltern reisen würde. Tim trieb eine Mücke zum Fenster hinaus und schloss die Gardine. In diesem Moment schallte draußen auf dem Gang die Stimme des EvD, des Erziehers vom Dienst, aus der neu eingerichteten Rundsprech-Anlage. „Peter Carsten ... eh ... Tim, bitte sofort ans Telefon. Kabine vier ... eh ... natürlich die Besenkammer."
„Du bist gemeint", mummelte Klößchen.
„Ist mir klar." Tim warf seinen Kulturbeutel aufs Bett.
„Wird deine Mom sein. Aus New York."
„Eher nicht. Wir haben schon nachmittags telefoniert."
Tim sauste die Treppe hinunter ins Parterre, wo im Hauptflur die Telefonzelle ,Besenkammer' Klingelgeräusche in den Abend schickte. Schmetterlinge im Bauch! Der TKKG-Häuptling hatte plötzlich ein ungutes Gefühl. War was passiert? Seiner Mutter in New York, dieser Stadt, wo alles möglich ist, wo sich Susanne Garsten zur Zeit aufhielt - halb beruflich, halb privat?
„Ja, hier Tim."
Ein Schluchzen drang durch den Draht, ein Schluchzen, wie's nur Gabys zarte Kehle hervorbringen kann.
Tims Nackenhaare stellten sich auf.
„Pfote, was ist?"
„Tim! O Gott! Papi ist... Er ..."

Illustration von Seite 30/31.
Illustration von Seite 30/31.

„Ja?"
Seine Freundin schluckte. „Papi ist ... verletzt. Dieser Verbrecher hat auf ihn geschossen."
„Was? Geschossen?"
„Papi ist jetzt im Krankenhaus. Mami auch. Ich wollte mit, soll aber hier bleiben. Weil... Papi wird operiert."
„Oh, Pfote, das ... Ist es schlimm? Ich meine, eine schwere Verletzung?"
„Die ... Pistolenkugel steckt in der Schulter. Mami rief eben an und hat mich beruhigt."
„Dann ist es nicht lebensgefährlich, Pfote. Bestimmt nicht! In wenigen Wochen wird der Kommissar Glockner wieder so gesund sein wie immer. Ganz sicher!"
„Ja, nicht! Das glaubst du auch."
Tim spürte: Seine Freundin brauchte Trost. Aber nicht nur mit Worten. Trost wirkt viel besser, wenn man sich dabei in die Augen sieht und an den Händen halten kann. Außerdem schätzt es Tim überaus, wenn Gaby ihren Kopf schutzsuchend an seine Schulter legt.
„Pfote, in 20 Minuten bin ich bei dir. Klößchen kommt natürlich mit und ich sage auch Karl Bescheid."
Als Margot Glockner kurz vor Mitternacht aus dem Unfall-Krankenhaus nach Hause zurückkehrte - erschöpft, aber auch beruhigt, denn die Operation war gut verlaufen -, fand sie eine hellerleuchtete Wohnung vor. Und TKKG waren vollständig versammelt.
„Das ist wahre Freundschaft", lächelte sie und berichtete dann.
Ihrem Mann, dem Kommissar und väterlichen Freund der Jungs, ging es angesichts der Umstände schon wieder recht gut. Der Steckschuss hatte zwar eine tiefe Wunde verursacht, aber keinen Knochen verletzt. Dennoch - Emil Glockner würde drei Wochen im Krankenhaus bleiben müssen, und damit war die Pfingst-Ferien-Reise an die französische Mittelmeerküste - nämlich nach Chicvillage -natürlich geplatzt, wegen höherer Gewalt.

Illustration von Seite 104.
Illustration von Seite 104.

Aber auf solchen Pipifax, dachte Tim, kommt's überhaupt nicht an. Wichtig ist jetzt nur die Gesundheit von Gabys Vater - und nichts sonst!
„Wissen Sie, Frau Glockner", fragte der TKKG-Häuptling, „wie es passiert ist?"
Sie nickte und strich sich eine blonde Strähne aus der Stirn.
„Von Ulrich Döllner weiß ich's, einem Kollegen. Mein Mann konnte noch nichts erzählen. Es war während einer Razzia am frühen Abend. Einem Tipp aus der Unterwelt zufolge wollte man in der Auerstall-Straße einen gewissen Paul Ossinsky überrumpeln. Der wird seit langem steckbrieflich gesucht. Ein Drogen-Dealer größten Ausmaßes ist das. Er hat seine Verbindungen in ganz Europa, aber vor allem in Südfrankreich. Jedenfalls befand er sich mit zwei seiner Komplizen in der Wohnung. Über die beiden ändern ist noch nichts bekannt, aber sie sind offenbar äußerst gefährlich. Jedenfalls haben sie sofort geschossen: durch die geschlossene Wohnungstür. Emil stand natürlich nicht davor, sondern im Schutz der Wand. Aber ein Geschoss ist als so genannter Querschläger vom metallischen Treppengeländer abgeprallt und meinem Mann in die Schulter gedrungen."
TKKG pressten die Lippen zusammen. Jeder stellte sich vor, was für ein Schmerz das ist, wenn ein verformtes Geschoss eine tiefe Wunde in die Schulter reißt.
„Die Verbrecher wurden gefasst?", fragte Tim.
Margot schüttelte den Kopf. „Leider nicht. Die sind an der Rückfront durchs Fenster gesprungen und - entkommen. Nach Ossinsky wird natürlich verstärkt gefahndet. Aber Ulrich Döllner hat da wenig Hoffnung. Er vermutet, dass die drei längst außer Landes sind. Der internationale Haftbefehl besteht ja schon lange und hat trotzdem nichts gebracht."
Darauf sagte Tim nichts. Ein Gefühl, das er hasst, füllte ihn aus. Es war nicht das Verlangen nach Rache, sondern nach Gerechtigkeit. Ein Verbrecher hatte Gabys Vater schwer verletzt, hätte ihn sogar tödlich treffen können -blieb aber auf freiem Fuß, würde untertauchen und sich seiner Strafe entfliehen. Eine himmelschreiende Ungerechtigkeit! So was bringt Tim auf die Palme - und nicht nur ihn. Außerdem war dieser Ossinsky eine ständige Bedrohung, eine Gefahr für die Umwelt - ganz abgesehen davon, dass Dealer mit ihrem Drogenhandel unendliches Leid anrichten unter den Abhängigen und jenen charakterschwachen, labilen Menschen und Jugendlichen, die für diese tödliche Versuchung anfällig sind.
Morgen, dachte Tim, werden wir uns mal bei Kommissar Döllner schlau machen. Ist ja ein netter Typ und so arglos, als wäre er Sozialarbeiter in 'ner Pfarrei. Dem ziehen wir bestimmt ein paar Infos aus den Zähnen, ohne dass er was merkt.