Band 081: Die Sekte Satans

Band 081: Die Sekte Satans
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Gebundenes Buch · 192 Seiten · 12.2 x 18.8 cm
cbj
Juli 2004
€ 7,50 [D] | € 7,80 [A] | CHF 13,90 (UVP)
978-3-570-15081-8
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Leseprobe

llustration von Seite 63.
llustration von Seite 63.

Tagelanger Sommerregen hatte den Fluss in einen reißenden
Strom verwandelt. Heute freilich glühte die Sonne von
einem schier tropisch heißen Himmel und es ging auf Mittag,
als Tim über die Brücke radelte: südlich der Großstadt
gelegen, in ländlicher Einsamkeit.
Dass er döste, sah nur so aus. In Wirklichkeit entstand
eine schlaue Idee hinter seiner Stirn. Gerade fiel ihm ein,
wie er den Quacksalber überführen konnte.
»Hiiiiilfe!«, kreischte eine Kinderstimme in diesem Moment
über dem tosenden Wasser. »Hiiiiilfe! Du da oben...«
Schon beim »Du« war Tim am Geländer. Er traute seinen
Augen nicht.
Im schäumenden Wasser trieb ein Baumstamm flussabwärts.
Er war etwa fünf Meter lang und entrindet.
Am schlanken hinteren Ende klammerte sich ein Junge
fest.Weißes T-Shirt, blonder Schopf, ein entsetztes Gesicht,
den Mund angstvoll aufgerissen. Der Junge schrie pausenlos.
Aber Tim hörte nur noch die »iiiiis«. Denn der Stamm
bolzte Tempo, hätte mit diesem Schnitt jede Regatta gewonnen.
Dem Burschen gehört der Hintern versohlt, schoss es Tim
durch den Kopf. Aber erst muss ich ihn aus dem Wasser ziehen.
Zum Geier! Der Wasserfall! Lebensgefährlich!
Er riss sein Bike herum und sauste los.

Illustration von Seite 133.
Illustration von Seite 133.

Auf der Ostseite führte ein Radweg entlang. Ein- und
überholen konnte Tim den Stammschwimmer leicht. Aber
das half nichts. In diesem Abschnitt begrenzten felsige Steilufer
den Fluss; und etwa 600 Meter südlich der Brücke verlegte
ihn der Wasserfall fünf Meter tiefer. Der Stamm würde
hinunterschießen wie eine Rakete. Unten hoben sich spitze
Felsen aus dem Wasser: Eine tödliche Falle!
Kies spritzte unter den Reifen weg. Noch schneller! Tim
wusste: Es gab eine einzige Chance.
Kurz vor dem Wasserfall verengte sich das Flussbett. Statt
der üblichen zwölf Meter schob es sich hier auf knapp die
Hälfte zusammen. Außerdem führte eine Steintreppe zu
den Fluten hinunter.
Dort muss ich ihn erwischen, dachte Tim. Dort kann ich
ihm was zuwerfen, woran er sich festhält. Dort kann ich ihn
an Land ziehen. Aber womit, verdammt?
Jetzt konnte er den Jungen nicht sehen, nicht mal den
Fluss.Auf beiden Ufern verfilzten sich Büsche, Bäume,Gestrüpp
zu undurchdringlichem Urwald.
Die Treppe!
Der Wasserfall machte einen Höllenlärm.Winzige Sprühdiamanten
funkelten in der Sonnenluft.
Tim wuchtete sein Bike auf die Schulter und sprang
die Treppe hinab. Sie war halsbrecherisch.Auf den Stufen
glitschten die Füße.
Jetzt stand er auf der untersten Stufe, bis zu den Waden im
Wasser. Mit einer weit ausholenden Armbewegung schleuderte
er sein Bike in die Flut. Am Hinterrad hielt er es fest,
hielt es über die Wasserfläche, wobei er tief in die Hocke
ging. Je weiter er sein ungewöhnliches Rettungsinstrument
zur Flussmitte schob, umso größer war die Chance für den
Jungen.
Ein Rad mit ausgestreckten Armen waagerecht halten –
wer kann das schon? Auf jeden Fall gehören Handgelenke
dazu, wie sie nicht alle Tage wachsen.
Wo blieb der Junge?
In seiner unbequemen Haltung kauernd,blickte Tim flussaufwärts.
Eine knappe Steinwurfweite entfernt machte der
Fluss eine Biegung. Tim konnte die Brücke nicht sehen.
Aber jetzt sah er den Baumstamm.
Eben bäumte der sich auf, hob den Bug aus dem Wasser.
Weißes Holz, bedrohlich.Von dem Jungen keine Spur.
Entsetzt starrte Tim dem Stamm entgegen. Hing er drunter,
der Junge? Der Stamm drehte sich, glitt vorbei, stieß gegen
das Vorderrad des Drahtesels – aber nur sanft. Nichts
sonst trieb in dem grünlichen Wasser.
Jetzt schnellte der Stamm über die Kante, stürzte hinunter,
stieß auf und überschlug sich. Selbst in dem Tosen war
das Krachen zu hören.
Er ist ertrunken!