Band 066: Freiheit für gequälte Tiere

Band 066: Freiheit für gequälte Tiere
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Gebundenes Buch · 192 Seiten · 12.2 x 18.8 cm
cbj
Juli 2004
€ 7,50 [D] | € 7,80 [A] | CHF 13,90 (UVP)
978-3-570-15065-8
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Leseprobe

llustration von Seite 51.
llustration von Seite 51.

„Hab keine Angst!" murmelte Tim immer wieder. Dabei bückte er sich und griff vorsichtig nach einer dickbauchigen Erdkröte.
Bernsteinfarbene Augen sahen ihn an. Durch die Gummihandschuhe, die er trug, fühlte er den feucht-kühlen Leib. Tim nahm die Kröte und legte sie in den großen Plastikeimer, wo bereits Gras- und Springfrösche saßen sowie zwei Molche.
„Mein Eimer ist fast voll", rief Klößchen, der zehn Meter links von Tim sammelte. „Ich bringe sie zum Teich."
Er rannte los, durch Büsche und über die Landstraße zum Lurch-Weiher, der etwas unterhalb in einer Senke lag: das Laichgebiet der Kröten und Frösche.
„Behutsam auskippen!" rief Gaby hinterher.
Sie sammelte rechts von Tim, ein weiteres Stück entfernt hatte Karl gerade einen Bergmolch gefangen.
Es war Mitte März. Wie jedes Jahr beteiligte sich die TKKG-Bande an der Frosch-Rettungsaktion, die wieder unter dem Motto stand: „Liebe macht blind".
Gemeint war die Liebe der Lurche zueinander. Denn ab Anfang März pflanzen sie sich fort und wandern dann aus den Waldgebieten, wo sie im Boden überwintern, zu den eisfreien Teichen.
Dabei kriechen und springen die Frösche, die Kröten und die Molche blindlings über stark befahrene Straßen. Das fordert grausig viele Opfer: die armen Tiere, plattgewalzt von rasenden Autoreifen.
Um dieses Massaker zu verhindern, stellen Tierfreunde zu beiden Seiten der Landstraßen niedrige Schutzzäune auf, dort, wo die Lurche wandern. Auf die Fahrbahn können sie dann nicht. Aber hinüber wollen sie trotzdem. Und da hilft nur eins: einsammeln und transportieren.
„Hab keine Angst."
Diesmal meinte Tim einen langbeinigen Springfrosch.

Illustration von Seite 88.
Illustration von Seite 88.

Aber der hatte Angst. Er setzte an zu gewaltigem Weitsprung. Schon schnellte er los, und er hätte mindestens zwei Meter geschafft. Doch Tim griff zu, blitzartig, und fing ihn in der Luft. Hinein in den Eimer! Deckel drauf! Denn was ein trainierter Springfrosch ist, der startet auch senkrecht.
„Spitze!" rief Gaby, die das Manöver beobachtet hatte. „Du könntest als Frosch-Dompteur arbeiten."
„War schon immer mein Traumjob." Tim lachte.
Unten beim Weiher war was passiert. Klößchen brüllte. Es klang wütend.
„Hat dich ein Frosch gebissen?" rief Karl.
„Das verdammte Ufer ist glitschig", erwiderte Klößchen. „Bin reingefallen. Und naß bis zum Knie."
Gaby seufzte. „Wem sonst kann so was schon passieren?"
Tim sah in seinen Eimer. Voll genug? Schließlich wollte er keinen Froschsalat anrichten. Das wäre Streß gewesen für die Lurche.
Aus dem Augenwinkel sah der TKKG-Häuptling, daß auf der Straße ein Radler vorbeiglitt, ziemlich schnell. Er trug eine gelb-rote Kluft. Wer das war, konnte Tim nicht erkennen. Denn Büsche verstellten die Sicht.
Und dann zischte auch schon ein Auto in die gleiche Richtung - viel schneller als 80 km / h, die hier erlaubt waren. Es verschwand hinter der Kurve.
Tim ging weiter und näherte sich einem Grasfrosch, der offenbar begriffen hatte, wie er kostenlos und bequem mit Hilfe der Tierfreunde den Weiher erreichen konnte - und vor allem: gefahrlos.
Tim wollte sich bücken.
In dieser Sekunde geschah es.
Ein Krachen, gräßlich und laut, drang hinter der Kurve hervor. Metall wimmerte, kreischte. Dann ein dumpfes Geräusch. Ein Motor heulte auf, und der Wagen preschte davon.
Gaby fuhr herum. Sie sah Tim an, und in ihren Augen stand Angst.
„Das klang nach... Unfall."

Illustration von Seite 94.
Illustration von Seite 94.

Tim antwortete nicht, stellte seinen Eimer ab, sprang über den Schutzzaun und sprintete los.
Die Straße. Zur Kurve. Sie bog sich waldwärts. Bäume. Keine Sicht. Aber jetzt war er am Scheitelpunkt und sah die Katastrophe.
Ein Mädchen lag auf der Straße, gelb-rot gekleidet und seltsam verkrümmt. Das Gesicht nach unten, schwarzes Haar breitete sich über den Asphalt. Das Tourenrad verbogen. Schrott.
Bis zur nächsten Kurve war die Straße frei. Kein Auto. Also Fahrerflucht.
Schon kniete Tim neben dem Mädchen. Da war Blut. Es tropfte aus dem Ärmel.
Gaby kam. Karl und Klößchen keuchten heran. Alle vier sind ausgebildet in Erster Hilfe. Sie wußten, was zu tun war.
Erst mal runter von der Fahrbahn. Dann in die richtige Lage bringen und...
Gaby konnte einen Schrei nicht unterdrücken.
„Das... das ist ja Sabine."
Sabine Kolwig, dachte Tim. Verdammt!
Das Mädchen war 16, besuchte die TKKG-Internatsschule, 10. Klasse. Ein sehr nettes Mädchen, externe Schülerin, die in der Stadt wohnte. Logo - denn das Internat ist bekanntlich nur für Jungs.
Sabine war bewußtlos, fahl das sonst frische Gesicht. Schürfwunden am Kopf. Und das Blut aus dem Ärmel tropfte und tropfte.
„Der Notarzt!" sagte Gaby. „Ganz schnell muß der her. Tim, flitz los! Wir versorgen sie inzwischen. Mehr kannst du auch nicht tun."
Tim rannte zurück. Die Drahtesel lehnten an Bäumen. Er sprang auf sein Rennrad.
Bis Hinterstetten, dem nächsten Dorf, waren es fünf Kilometer. Doch Tim wußte: Vorher war eine Bushaltestelle mit Telefonhäuschen.