„Natürlich. Und mach dir, bitte, keine Sorgen. Sie ist quietschfidel - nur ein bißchen traurig, daß sie dich nun nicht bemuttern kann."
„Ist unwichtig. So sehr ich's sonst auch schätze. Nur auf Muttis Knie kommt es jetzt an."
Marion hängte sich ein bei ihm, der fast einen Kopf größer war und wahrlich nicht wie knapp 14 Jahre aussah.
Sie verließen den Hauptbahnhof, gingen zum Parkplatz und stiegen in Marions Wagen - ein kleines Coupe einer japanischen Marke. Der Zwergdackel Goliath sprang sofort vom Rücksitz auf Tims Schoß und wollte dem TKKG-Häuptling das Gesicht lecken.
Lachend schob Tim ihn unter seine Windjacke und zog den Reißverschluß zu.
„Er kennt dich noch", sagte Marion. „Bei ändern macht er das nämlich nicht."
Tim streichelte den Welpen. Ein paar Monate fehlten ihm noch zur Hunde-Volljährigkeit.
„Und sonst hat Mutti keine Verletzungen?"
„Keine. Sie wurde - Glück im Unglück - von dem Wagen beiseite geschleudert und ist gegen einen kugeligen Drei-Zentner-Mann geprallt. Der stürzte auch, fiel aber auf seinen Bauch, also nicht tief. Susannes Knie war ungünstig angewinkelt. Bänder reißen da schnell. Sie liegt im Maria-Hilfs-Krankenhaus."
Das ist nahe, dachte er, nur zehn Fuß-Minuten von zu Hause entfernt.
„Was Susannes Verletzung betrifft", sagte Marion, „kannst du also beruhigt sein."
Hellhörig wandte Tim ihr den Kopf zu.
„Aber, Tante Marion? Da kommt doch noch was."
„Ja, allerdings. Und... Tim, ich will da nicht vorgreifen. Es ist besser, Susanne erzählt es dir. Ja?"
„Ist es was mit mir?"
In Sekundenschnelle spulte sein Gehirn ab, wie es im Internat um ihn stand. Schulische Leistungen? Mathe eins, Sport eins, alles andere auch sehr gut. Knatsch mit Paukern? Zur Zeit lag nichts an, keine Feindseligkeit, kein persönlicher Zoff. Verwarnungen - wegen zuviel Abenteuerlust und nächtlicher Ausflüge? Null. Niemand hatte ihn erwischt. Es gab Mutmaßungen über seinen Freiheitsdrang, aber keine Beweise.
„Nein." Marion hielt vor einer Rot-Ampel und blickte geradeaus. „Es betrifft - deinen Vater."
Tim horchte dem Wort nach. Selten, ganz selten nur gebrauchte er es im Zusammenhang mit sich selbst.
Sein Vater war seit sechs Jahren tot. War umgekommen beim Absturz einer Cessna - zusammen mit Kollegen, mit Geschäftsfreunden. Der Diplomingenieur Maximilian Garsten war erst 36 gewesen.
„Mit Vati? Was denn?" Dann überlegte er und entschied: „Gut, ich lasse es mir von Susanne sagen."