Band 046: Jagt das rote Geister-Auto!

Band 046: Jagt das rote Geister-Auto!
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Gebundenes Buch · 192 Seiten · 12.2 x 18.8 cm
cbj
Juli 2004
€ 7,50 [D] | € 7,80 [A] | CHF 13,90 (UVP)
978-3-570-15045-0
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Leseprobe

llustration von Seite 17.
llustration von Seite 17.

Rot ist meine Lieblingsfarbe, dachte Tim - der früher Tarzan genannt wurde. Ich mag den Sonnenaufgang, reife Tomaten, rote Pullover; und sogar wenn ich rot sehe - vor Wut -, fühle ich mich wohl. Nur das rote Geisterauto geht mir auf den Keks. Ein Seh... rot!
„Ja, genau 19mal hat er bisher zugeschlagen, der Verrückte in dem roten Auto", sagte Gaby.
Sie pustete gegen ihren Goldpony. Er war etwas feucht vom Abendnebel und hing ziemlich tief in ihre Blauaugen. Weil er sich vom Pusten nicht hob, nahm Gaby die Hand zu Hilfe.
„Keiner kann sagen", ließ sich Klößchen vernehmen, „was für ein Wagen es ist. Rot lackiert - das wissen sie alle, die Schwerverletzten. Aber niemand hat gesehen, ob es sich um einen VW, einen BMW, einen Opel, einen Lkw..."
„Lkw scheidet aus", unterbrach Karl seine Aufzählung. „Der Verrückte rast und war jedesmal - zack! - um die nächste Ecke verschwunden. Mach das mal mit 'nem Lkw."
Tim und Gaby nickten.
Aber Klößchen maulte: „Auch Feuerwehr-Autos rasen. Und das sind keine Rallye-Flitzer, sondern eher Lkws. Wie?"
„Trotzdem!" Karl wischte durch die Luft, als wäre Klößchens Argument nur Rauch oder Nebel.
Tim wandte sich wieder den Schaukästen zu.
Die TKKG-Bande stand vor dem Central-Kino. Es liegt ganz am Rand der Großstadt, in einem südöstlichen Vorort am Ende der U-Bahn-Strecken.
Der Name ,Central' entsprang vermutlich dem Wunschdenken des Kino-Besitzers. Logo! Stadtrand-Kino oder Jwd-Licht-spiele (jwd = janz weit draußen) - das wäre kein Name gewesen.
Die TKKG-Bande kam aus Klönkersdorf, wo sie einen Bienenzüchter interviewt hatte - wegen Infos für den Bio-Unterricht.
Hier im ,Central' wurde zur Zeit ein Krimi-Film gezeigt, in dem ein roter Sportwagen die Hauptrolle hatte. Mimisch und schauspielerisch konnte man das Opus nicht zur hohen Filmkunst rechnen. Aber die TKKG-Bande machte halt, denn das rote Geisterauto spukte in den vier Köpfen herum - schon seit geraumer Zeit.
Tim betrachtete den Wagen auf den Filmfotos. Er war flach, windschlüpfrig und sah aus nach 150000 DM Anschaffungskosten.
Gaby trat neben ihren Freund und lehnte sich an seine Schulter. „Gefällt er dir?"
Tim hob die Achseln. „Mein Rennrad ist mir lieber."
Klößchen und Karl stellten sich links neben Tim auf.
„Ja", meinte Karl. „Ich vermute, daß das Geisterauto so ein ähnlicher Schlitten ist."
Tim nickte. „So stelle ich mir das Geisterauto vor. Aber was nützt das? Rote Sportwagen gibt es in der Stadt und im Umland mindestens... ach, noch viel mehr."
„Trotzdem halten wir die Augen offen", sagte Klößchen. „Das ist Bürgerpflicht."
Unaufgefordert sagte Gaby: „Mein Papi leitet die Untersuchungen, wie ihr wißt. Es fing ja ganz harmlos an - vor sieben Wochen. Ein Mann wurde nachts in der Bleichenröder Straße überfahren und schwer verletzt. Der Täter floh. Das Opfer konnte immerhin sagen, daß es ein roter und sehr schneller Wagen war. Dann reihte sich eine Untat an die andere - noch 18mal. Immer nachts. Einige Leichtverletzte, viele Schwerverletzte sind das Ergebnis." Ernst fuhr sie fort:
„Einem jungen Mann mußte das Bein amputiert werden. Gestorben ist zum Glück niemand bei diesen bösartigen Anschlägen. Aber auch das steht bevor. Alle Betroffenen wissen, daß es ein roter Wagen war. Doch niemand konnte das Nummernschild erkennen."
„Es muß ein Wahnsinniger sein", sagte Tim. „Einer, der seinen Wagen als Waffe benutzt. Als Mordwaffe. Wahllos sucht er
sich Opfer. Es gibt keine Verbindungen unter ihnen. Niemand hat was mit einem andern zu tun. Allen 19 Fällen gemeinsam ist nur eins: Der Wahnsinnige schlägt nachts zu. Und immer auf einsamen Straßen, wo nur das Opfer spaziert, joggt oder radfährt. Null Zeugen. Richtig, Gaby?"
Sie bestätigte, das sei der Stand der Ermittlungen.
Und fügte hinzu: „Aber jetzt muß ich nach Hause. Darf ich daran erinnern, daß ihr mich bis zur Tür bringen wollt."
„Ist uns ein Vergnügen", Klößchen verbeugte sich.
Dann übergab er Tim seinen Drahtesel zum Halten.
„Bin gleich wieder da."

Illustration von Seite 142.
Illustration von Seite 142.

Augenzwinkernd verschwand das dicke TKKG-Mitglied um die Ecke, hinter der sich ein dunkler Hof auftat. Er gehörte zum Kino.
Gaby fröstelte. Es regnete zwar nicht, aber der März-Nebel waberte. Der Abend war kühl, und an manchen Tagen mischten sich immer noch Schneeschauer in die Frühlingsluft.
„Huuuuuhhhhh... Verzeihung!" quäkte Klößchens Stimme hinter der Ecke. Schreck quetschte ihm die Luft ab.
Im nächsten Moment schoß er hinter der Ecke hervor und zerrte noch am Reißverschluß.
„Leute!" keuchte er - und hielt sich eine Hand vor den Mund. „Da... da... auf dem Hof... ist es stockdunkel. Man sieht wirklich nichts. Ich... dachte, es wäre ein Müllsack, der da liegt. Und habe... Aber es ist jemand. Er hat sich bewegt."
Tim lachte. „Hast du einen Penner geweckt?"
„Ich weiß nicht. Es duftet dort sehr stark nach Parfüm."
„Parfüm? Manche Wertmutbrüder trinken zwar auch Haarwasser, habe ich gehört. Aber..."
Tim sprach nicht weiter, ließ Klößchen die Tretmühlen halten und war mit drei langen Schritten an der Ecke.
Tatsächlich! Hier sah man kaum bis zur Nasenspitze. Kein Laternenlicht drang auf den Hof. Kein erleuchtetes Fenster verstreute Helligkeit. Mond und Sterne versteckten sich hinter dunkelgrauem Nebel.
Tim verharrte zwei Sekunden, um seine Augen an die Finsternis zu gewöhnen. Dann tappte er los. Die Spitze seines Basketball-Stiefels stieß gegen etwas Weiches. Es fühlte sich nach einem Körper an.
Tim beugte sich vor.
„Hallo! Schlafen Sie, Herr Nachbar? Oder fehlt's irgendwo?"
Ein Wimmern antwortete.
Jetzt sah er das müllsackähnliche Gebilde. Eine Wolke feinsten Duftes stieg auf. Eine Frau?
„Sind Sie verletzt?"
Er griff zu, spürte Stoff und einen Strick, der sich fest darum wickelte. Die Frau - es war tatsächlich eine Frau, wie Tim jetzt erkannte - war gefesselt.
Pest und Pocken! Tim hob sie hoch.
Vor dem Kino war kein Betrieb um diese Zeit. Vorn an der Straße fuhren zwei Wagen vorbei. Aber die Insassen nahmen keine Notiz von dem, was sich hier tat.
Gabys Kornblumenaugen wurden so groß, als wären es vier. Klößchen hopste zwischen den beiden Tretmühlen, die er rechts und links hielt, hin und her. Vielleicht vor Schreck, vielleicht weil ihn immer noch das dringende Bedürfnis quälte. Computer-Karl sprang zu Tim, um ihm zu helfen, zerrte aber nur ungeschickt an der Gefesselten. Um ein Haar - und sie wäre Tim von den Armen geglitten.
„Laß sein, Karl! Hast du dein Taschenmesser? Schneid die Fesseln durch."
Tim setzte die Frau auf die breiten Steinstufen, die zum Portal hinaufführten.
Sie war auch geknebelt. Ein Streifen Klebeband verschloß den Mund.
Vorsichtig zupfte Tim das Band ab. Die Frau sah ihn an, aus großen braunen Augen, die noch ganz starr waren vor Schreck. Sie mochte Ende Dreißig sein oder etwas älter. Sie hatte braune Locken und trug ein pfirsichfarbenes Make-up. Die grünen
Lidschatten waren verlaufen. Der Kaschmir-Mantel war sicherlich teuer. Die Füße steckten in Stiefeln aus feinstem Leder. Alles das paßte zu der hübschen Person.
Vom Knebel befreit, atmete sie mit offenem Mund. Sie schloß die Augen.
„Verdammt, ich habe mein Taschenmesser nicht mit", fluchte Karl.
Auch Tim und Klößchen suchten vergebens in ihren Jeanstaschen.
„Die Fesseln tun so weh", flüsterte die Frau.
Ihre Arme waren auf dem Rücken zusammengebunden. Auch um die Fußknöchel schlang sich die dünne Nylonschnur. Außerdem war sie um den Oberkörper gewickelt.
Tim nestelte vergebens an den Knoten, biß dann die Handfessel durch und konnte die Schnur lösen.
Die Frau öffnete die Augen. Ihr Blick war jetzt klar. Die Miene entspannte sich.
Sie wirkt zart, dachte Tim. Aber sie ist nicht aus Zucker. Schon kriegt sie wieder Farbe ins Gesicht - unters Make-up. Unfaßlich! Liegt da gefesselt im Hof auf dem Boden. Am Rük-ken ist der ganze Mantel verdreckt. Bin gespannt, was da gelaufen ist.
„Sollen wir einen Arzt rufen?" fragte Gaby.
Die Frau schüttelte langsam den Kopf. „Ich glaube, es ist nicht nötig. Oh, dieser Kerl! Der... Es war ein Raubüberfall. Aber ich habe das Gesicht gesehen. Ganz genau."