Band 025: Stunde der schwarzen Maske

Band 025: Stunde der schwarzen Maske
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Gebundenes Buch · 192 Seiten · 12.2 x 18.8 cm
cbj
Juli 2004
€ 7,50 [D] | € 7,80 [A] | CHF 13,90 (UVP)
978-3-570-15024-5
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Leseprobe

llustration von Seite 69.
llustration von Seite 69.

Es war in der Nacht zum Samstag - noch nicht sehr spät, aber spät für 13jährige -, als die TKKG-Bande vom Lagerfeuer zurückkehrte. Freunde der Pfadfindergruppe Mungo hatten sie eingeladen, und das Erlebnis glühte noch in ihnen wie die Scheite des erlöschenden Feuers.
Tarzan fuhr mit Gaby voran. Klößchen hielt sich im Augenblick die Hände frei, um eine Tafel Schokolade - seine unvermeidliche Notnahrung und Wegzehrung - zu öffnen. Karl, der Computer, radelte als Schlußlicht und resümierte (faßte zusammen) in Gedanken - also diesmal still und ganz für sich -, was er über Pfadfindertum wußte.
„Pst!"
Tarzan hob die Hand, und sein rennmäßiger Drahtesel gehorchte - sozusagen auf Schenkeldruck.
„Was ist?"
Gaby hatte nichts gehört.
„Da hat was geklirrt." Er dämpfte die Stimme. „Aber nicht, als wenn zwei sich zuprosten oder ein Glühwürmchen an die Scheibe bumst."
Sie durchradelten das feinste Villenviertel der Stadt. Gärten und Parks schmückten sich mit spätsommerlicher Pracht. In der Schwüle der Nacht hatten sich Heerscharen von Insekten aufgemacht, und in den Biergärten und Straßencafes liefen Kellner und Serviererinnen sich Senkfüße.
„Na und?" flüsterte Klößchen. „Vielleicht hat ein Kater eine Kätzin von der Milchschüssel weggeschubst."
„Willi, dein Instinkt für Gefahr ist unter Schokolade verschüttet." Tarzan stieg ab. „Nicht nur deinem Bauch täte Diät gut, damit du wieder merkst, was Sache ist. Halt mal!"
Er lehnte ihm sein Rennrad ans linke Bein und bedeutete mit geheimnisvoller Geste, daß er nachsehen werde. Denn: Verantwortungsbewußtsein hat man entweder, oder man hat's nicht.
Aus Gabys zarten Lippen kam ein Seufzer. Ihr war schläf rig zu Mute, besonders in den Blauaugen, über denen jetzt der Silberhauch von Müdigkeit lag. Sie wollte ins Bett. War es doch ein prickelnd schöner, aber auch anstrengender Abend gewesen. Denn die Pfadfinder hatten auch zu ihr hin gefunden und sie buchstäblich umschwärmt, als handelele es sich um Motten und nicht um Mungos.
Ohne Tarzans Anwesenheit hätte man sie sicherlich mit Anträgen nur so bombardiert, was jedoch unterblieben war; denn wer, wenn er wenigstens zwei seiner fünf Sinne bei sammen hat, hätte sich mit ihm, Tarzan, angelegt.
Eben flankte er lautlos über den Zaun.
Dahinter schlief ein Park in der Sommernacht. Der Vollmond hatte alle Tiefstrahler angeknipst. Tarzan sah also, daß es sich um ein nobles Stück Gartenarchitektur handelte mit Büschen, in denen es summte und hummelte, mit Blüten, deren Duft von keinem Parfüm erreicht wird; und irgendwo im Hintergrund plätscherte sogar ein Springbrunnen, oder war es der Zulauf zu einem Schwimmbecken?
Das Haus stand hinter Sträuchern und Bäumen: ein schwarzer Klotz, unbeleuchtet und höchstens so groß wie ein Schloß.
Mit indianerhafter Gewandtheit pirschte Tarzan durch die Büsche. In Richtung Villa, natürlich.
Das Klirren war von dort her gekommen.
Im Schatten einer Jungbuche blieb er stehen.
Mondlicht floß in Wellen über die Terrasse, wo schicke Gartenmöbel auf Diebe warteten.
Geklirrt hatte vermutlich ein Dachziegel, denn von hoch oben seilte sich der Einbrecher ab.
Das Seilende baumelte zur Terrasse herunter. Eben glitt die dunkle Gestalt über den Dachrand, hampelte einen Moment von schräg nach links und ließ sich dann Hand über Hand im freien Klettergriff absinken.
Tarzan flitzte los, lautlos und geduckt.

Illustration von Seite 161.
Illustration von Seite 161.

Der Einbrecher schien äußerst gewandt: eine mittelgroße Gestalt und schwarz gekleidet wie der Tod. Auf dem Kopf trug der Kerl eine Mütze.
Als seine Fußspitzen festen Boden berührten, stand Tarzan hinter ihm.
„Waaahhh", raunzte er, um auch die Schrecksekunde für sich auszunutzen. Gleichzeitig packte er den Dunkelmann mit eisernem Griff.
Die Überraschung gelang. Schreck versteinerte den Kerl. Aber nur für zwei Sekunden. Blitzartig drehte er sich in Tar-zans Griff, befreite sich, wirbelte herum, griff seinerseits zu und setzte einen Hüftwurf an, der beim Judo zum kleinen Einmaleins gehört.
Tarzan hatte nicht erwartet, daß sein Gegner sich widerstandslos ergebe und kniefällig um Gnade bitte. Aber einen Judo-Kämpfer vor sich zu haben, das überraschte ihn.
Und nicht nur das. Ein schwarzes Gesicht war ihm zugewandt - vielmehr: eine schwarze Gesichtsmaske, in deren Sehschlitzen Tigeraugen funkelten.
Tarzan konterte (durch Gegenangriff abwehren).
Platsch! - saß der Kerl auf dem Hintern.
Das tat sicherlich weh, denn sein Trikot war hauteng und keine modische Ritterrüstung wie bei Eishockey oder amerikanischem Football.
Gerade wollte Tarzan fragen, ob's damit genug sei oder der andere ernsthafte Beschädigungen wünsche - als der Beinhebel zustieß.
Ein Spezialist für Bodentechnik, dachte er böse. Denn der Trick war gelungen.
Auch Tarzan saß nun auf den Steinplatten, war freilich wie in Zeitlupe gelandet; aber jetzt erwachte sein Kämpferherz, jetzt drehte er auf. Der Gegner quietschte entsetzt. Dann steckte er in einem Würgegriff, aus dem es kein Entrinnen gab. Selbst ein Gorilla hätte die Waffen gestreckt, bzw. alle Viere von sich, und der Einbrecher war nicht mal ein Halbaffe.
Er quietschte nochmals. Seine Knochen knackten wie 100jährige Türangeln voller Rost. Schwarz wie sein Aufzug war - so wurde es ihm jetzt auch vor Augen. Der beinharte Griff hätte sein Bewußtsein gelöscht wie ein Taifun brennende Weihnachtskerzen.
Aber Tarzan ließ los.
„Hoppla!" sagte er verblüfft. „Sie sind ja eine Frau."
Langsam wälzte sie sich auf den Rücken.
„Oh!" keuchte sie. „Bist du der Weltmeister? Oder an wen bin ich da geraten?"
„Für eine Frau sind Sie aber auch ganz gut", meinte er gönnerhaft - waren sie doch für diesen Moment nur Judokas, Sportler unter sich.
Aber dann sagte er: „Sie sind eine Schande für unseren Sport. Zu richtigem Judo gehört auch die Gesinnung. Einbrechen, stehlen, Besitz umverteilen - ist außerhalb der Regeln und ein ganz mieser Zug. Tut mir leid, Sportsfreundin: Jetzt geht's ab hinter Gitter. Nämlich zur Polizei."
„Ach, wirklich!" seufzte sie.
„Und keinen Fluchtversuch, sonst werde ich ernstlich böse."
„Um Gottes willen! - nur das nicht."
Sie erhob sich und streifte Mütze und Gesichtsmaske ab. Langes Haar rauschte auf ihre Schultern. Es war lockig und honigfarben, soweit sich im Mondlicht erkennen ließ, das Gesicht hübsch: ein bißchen katzenhaft im Schnitt, aber lustig im Ausdruck. Die schräggestellten Augen funkelten grün.
Es war eine junge Frau. Verständnislos schüttelte Tarzan den Kopf. „Himmel, haben Sie's nötig einzubrechen? Sie würden doch bestimmt einen Job finden. So wie Sie aussehen - ich meine, Sie machen keinen üblichen Eindruck." „Danke für das Kompliment", lachte sie. „Aber der Eindruck täuscht", setzte er knallhart hinzu -damit sie nicht denken sollte, er ließe sich einwickeln.
„Wenn du meinst. Und was den Job betrifft - ich habe einen. Ich bin hauptberuflich Einbrecherin. Mein Fehler ist nur, daß ich die Sache zu sehr romantisiere. Ich mache ein Spiel draus, verstehst du. Eigentlich sollte ich auf die Maske verzichten. Aber mit der bin ich schon damals im Zirkus aufgetreten und ... nein, ich mag das einfach." „Aha!"
Er verstand kein Wort. Im Hintergrund knackten Zweige.
„Fängst du einen Einbrecher, oder machst du eine Gartenparty?" fragte Gaby aus sicherer Entfernung.
„Es ist eine sie", erklärte er. Und gleich wandte er sich wieder an die schwarze Maske. „Name?" blaffte er, im Stil überforderter Ordnungshüter, die nach Terroristen fahnden.
„Sage ich dir gern", lachte sie. „Ich bin Sabine Lenz. Der Name stimmt. Dort hinten steht mein Wagen. Ich werde mich ausweisen. Die gehören wohl zu dir?"
Das bezog sich auf den Rest der TKKG-Bande, der soeben - ohne die draußen geparkten Tretmühlen - auf die Terrasse marschierte, um den Fang zu begutachten. Streng musterten sie die junge Frau.
„Also hat's doch geklirrt", meinte Klößchen. „Aber das Nichthören hat nichts mit meinem Schokoladenkonsum zu tun, Tarzan. Vielmehr liegt's an den Ohren."
„Ah, dich nennen sie Tarzan", sagte die Einbrecherin.
Dann - verblüffend für alle - reichte sie Gaby die Hand. Pfote war so verdutzt, daß sie einschlug. „Ich bin Sabine", sagte die Einbrecherin und begrüßte Karl und Klößchen gleichermaßen.
Ein Gemüt wie eine Fleischerhündin, dachte Tarzan. Bestimmt steckt eine List dahinter. Aber da bist du schief gewickelt, Sabinchen, falls du wirklich so heißt. Für Einbrecherinnen - und seien sie noch so apart - gibt es keinen Pardon.
Verdutzt hatten Gaby, Karl und Klößchen sich vorgestellt. Klößchen schien zu überlegen, ob er ihr Schokolade anbieten solle.
Karl zog prüfend an dem Seil, das regenwurmschlapp vom Dach herab hing.
Wo hat sie ihre Beute? dachte Tarzan. Wenn's ein Kerl wäre, könnte ich eine Leibesvisitation (Durchsuchung) machen. Aber so - nein! Die Ohrfeige wäre berechtigt.
„Und wo haben Sie das Diebesgut?" herrschte er sie an.
Ihr Lächeln bestrahlte ihn. „Ich habe nichts, Tarzan. Ich breche zwar ein, aber ich stehle nicht. Ich verschaffe mir lediglich Einlaß ins Haus. Und der Besitzer weiß, daß ich komme. Ich bin vorher angemeldet. Damit die Sache unter natürlichen Bedingungen abläuft - wie bei üblichen Einbrüchen -, überläßt der Hausbesitzer mir das Feld; er und die anderen Bewohner verbringen die Nacht anderswo. Ihr müßt wissen, ich arbeite für eine Versicherungsgesellschaft, für die Aurora. Ich bin beschäftigt in der Abteilung Sach- und Hausrats-Versicherungen."