Die Erzählstruktur unterscheidet sich von der anderer Bände: Fünf selbständige Einzelgeschichten reihen sich aneinander wie die Wagen eines Zuges, zusammengekuppelt durch Tarzans Tagebucheinträge und gezogen von einem einleitenden Kapitel, das die Anfahrt beschreibt. Das ist kein Wunder, denn ursprünglich handelte es sich bei den fünf Episoden um separate Geschichten. Daraus zieht das Buch seine Stärken, aber auch seine Schwächen. Jede Episode ist etwa 30 Seiten lang, so daß kein Raum bleibt für das übliche Vorgehen, zwei Erzählstränge am Ende zusammen zu führen. Stattdessen gibt es jeweils einen Erzählstrang, der eingebettet ist in eine Rahmenhandlung. Den Episoden fehlt es dadurch einerseits an Tiefe, andererseits sind sie ziemlich straff und ohne Schnickschnack erzählt. Insoweit fällt positiv auf, daß sich das Geschehen ohne logische Brüche entwickelt und nicht auf allzu absonderliche Zufälle angewiesen ist. Das wiederum ist aber auch eine gewisse Schwäche, denn man merkt ziemlich schnell, wohin der Hase läuft. Das merkt man sogar schneller als die Protagonisten. In der Episode "Der Dieb" etwa wird schon nach dem ersten Drittel klar, was gespielt wird, während der sonst so helle TKKG im Dunklen tappt. Auch in der Episode "Die Gespenster" hält insoweit kaum Überraschungen bereit, entschädigt aber durch das aufregende und auch humorvoll geschilderte Finale. In der Episode "Die Rocker" geht es ohnehin nur um die Frage, ob die Polizei rechzeitig kommt - das übrige Geschehen ist absehbar. Allein in "Die Erpresser" haben wir es mit echter und ziemlich mühevoller Ermittlungsarbeit zu tun, bei der TKKG in mehrere Sackgassen läuft, ohne daß der Leser sagen könnte: Ich habe es ja gleich gesagt. Es handelt sich daher um die beste Episode. Die Episode "Rettung in letzter Sekunde" hat nur am Rande mit einem Kriminalfall zu tun, fällt also insgesamt aus dem TKKG-Rahmen. Hier geht es darum, was Behinderte leisten können. Das kommt zwar etwas schnulzig rüber, aber wenn man an die Zielgruppe - junge Teenager oder jünger - denkt, geht das in Ordnung. Nicht in Ordnung geht Tarzans Unausgeglichenheit, die sich immer wieder in Gewalthandlungen entlädt. Es mag sein, daß er selbst nicht angreift, aber auf Notwehr kann man sich bei Notwehrprovokation auch nicht berufen. Anzumerken wäre noch, daß man dem Band sein Alter anmerkt. In Zeiten der Billigflüge nach Malle mit anschließender Animateurbespaßung würde sich kaum ein Jugendlicher für ein Ferienlager/-dorf an der Nordsee erwärmen, zumal es in dem Band ziemlich häufig regnet. Schon gar nicht würden es heutige Jugendliche dort fünf Wochen lang aushalten. Auch die Pfiffe der Lokomotive (heute tröten Elloks eher) und die Telegraphenmasten entlang der Strecke gehören der Vergangenheit an. Und mit den allgegenwärtigen Funktelefonen wäre Gabys Situation im Brunnen nicht ganz so dramatisch - damit wohl auch nicht die Rettungsaktion. Und so zugewucherte Gewächse wie "Rasputin" gibt es heute auch nicht mehr - die dürften so um 1990 aus der Jugendarbeit verschwunden sein. Fazit: Band 9 zerfällt zwar aufgrund seiner in der Entstehungsgeschichte begründeten Episodenhaftigkeit zu sehr in Einzelteile, die auch durch die Tagebucheinträge - die einzigen von Tarzan übrigens, die mir überhaupt bekannt sind - nicht zusammengehalten werden können. Aber die Einzelepisoden erfreuen durchaus mit der Würze der Kürze und auch einer gewissen Bodeständigkeit. Die Episoden mögen zwar nicht durch Kapitel aufgeteilt sein, sondern selbst überlange Kapitel bilden, aber das stört ebenso wenig wie die fehlenden Zwischenzeichen, die einen neuen Handlungsabschnitt anzeigen sollten. Umso lästiger fallen allerdings die Fehler, die auf ein oberflächliches Lektorat schließen lassen. Auch wenn es sich nicht um den "Zauberberg" handelt, sollten Bücher, die Jugendliche in die Hand nehmen, fehlerfrei sein. Insgesamt daher von mir 70 %. |