Tivola brachte die ersten TKKG-Computerspiele auf CD-ROM heraus. Im Interview erinnert sich Barbara Landbeck, Mitgründerin von Tivola, an diese Zeit.

Mein Name ist Barbara Landbeck. Ich habe einige Semester Theaterwissenschaften und Germanistik studiert, dann Illustrations- und Kommunikationsdesign und darin auch mein Diplom gemacht. Nach dem Studium habe ich zwei Jahre bei SAT.1 für Reinhold Beckmanns Sendung „ran“ in der Grafikabteilung gearbeitet. Dann habe ich mich mit meinen beiden Freunden Mil Thierig und Carlo Voelker selbstständig gemacht. Wir gründeten 1995 den Tivola Verlag in Berlin. Dort habe ich bis 2011 den kreativen Bereich geleitet.
Tivola geriet 2001 durch die allgemeine Medienkrise in Schwierigkeiten und wurde von der ddvg übernommen. Daraufhin hat sich alles ziemlich geändert. Zuletzt, 2011, wurde die gesamte Kreativabteilung eingestampft und auch ich wurde entlassen. Seitdem bin ich wieder tätig als freie Malerin, Illustratorin und Autorin. Ich schreibe und illustriere Kinderbücher und unterrichte in meiner Kunstschule für Kinder und Erwachsene Malen und Zeichnen. Ich habe eine Tochter, die ist jetzt 17 Jahre alt.


Wie kam es zu der Gründung von Tivola?

Carlo Voelker, Mil Thierig und ich kannten uns schon zu Studentenzeiten. Carlo arbeitete nach seinem Studium in einem ostdeutschen Kinderbuchverlag namens „Der Kinderbuchverlag“. Er fragte Mil und mich, ob man nicht die vielen alten Rechte des Kinderbuchverlags neu verwerten kann. Mil Thierig und ich arbeiteten zu dem Zeitpunkt bei Sat1. Ich in der Grafik-Animation, Mil in der Grafik-Redaktion. Also hatten wir dort auch mit neuen Medien zu tun. Wir beobachteten den amerikanischen Markt. Dort gab es erste interaktive Bilderbücher. So entstand die Idee, die alten Rechte des Buchverlags interaktiv zu verwerten.

Außerdem wollten wir drei uns gerne selbstständig machen. Wir waren eine gute Kombination: Carlo der Jurist, Mil Thierig (ist eigentlich Arzt) war die überzeugende Stimme nach außen und ich war für den kreativen Bereich verantwortlich.

Die Rechte des Kinderbuchverlags umfassten viele DDR-Bestseller, aber am Ende haben wir nie etwas daraus gemacht. Wir haben uns die Charaktere zunächst selbst ausgedacht. Charaktere, die spezifisch für das neue Medium entwickelt wurden. Später haben wir auf bekannte Lizenzen, wie z. B. „Biene Maja“, „TKKG“ und „Wickie“ gesetzt.

In Ostberlin hab es Fördergelder und so hatten wir dort auch unsere ersten Büroräume in einer alten Fabriketage. Dort arbeiteten wir fröhlich vor uns hin. Zur ersten Buchmesse hatten wir genau einen interaktiven Titel fertig: „Max und die Geheimformel“. Von Beginn an haben wir unser Verlagsprogramm auf drei Säulen aufgesetzt: Spielgeschichten, Sachgeschichten und Detektivgeschichten.


Hast du das Tivola-Logo entworfen?

Ja. Carlo Voelker sagte, dass er binnen zwölf Stunden Visitenkarten brauche, da er zur Buchmesse fahre. Das war ein Jahr vor unserer ersten CD ROM. Da habe ich schnell irgendwas gemacht. Aus meinem Grafikstudium wusste ich noch, dass es eine gute Methode ist, einen Buchstaben aus dem Wort zu verfremden oder ihn durch ein Zeichen zu ersetzen. Eine CD-ROM ist eine drehende Scheibe, daher der Kringel für das O. Das Logo war nur als vorläufiges gedacht, aber wir sind dabei geblieben.


Das Tivola-Introvideo vor jeder CD-ROM, wie ist das entstanden?

Die Buchstaben sollten sich nach und nach aufbauen. Ich dachte mir einen Spielmannszug aus, der ins Bild lief. Da ich alle Phasen selbst zeichnete und einfach kein gelernter Phasenzeichner bin, hakelten die auch so ein bisschen, aber es war auch vielleicht gerade deshalb charmant. Harry Gutowski, ein Freund aus der SAT.1-Zeit, hat die Musik gemacht. Sie passte total gut.


Zu Beginn hast du viele Tivola-Titel illustriert. Wieso später nicht mehr?

Ich habe alle Max-Titel gezeichnet und etliche Titel gescribbelt. Aber die Reinzeichnungen haben dann andere gemacht. Es gibt so viele tolle Illustratoren, es hat mir auch Spaß gemacht, denen ein Forum zu geben. Jeder hat seinen Stil und jedes Genre erfordert eine eigene Herangehensweise. Und das Illustrieren für so einen Multimediatitel war extrem aufwändig. Man fertigte viele Layer an, d. h. Teile einer Illustration auf verschiedenen Hintergründen. Beispiel: Klicke auf eine Tür und sie öffnet sich: Das beutetet, du brauchst das, was du hinter der Tür siehst UND die Tür selbst als Bildteil.

Heike Burghardt hat sehr liebevoll und detailliert alle Games von Oscar dem Ballonfahrer gezeichnet. Sie hat in der Porzellanmanufaktur Meißen gelernt und kann wunderbar Naturthemen malen. Christian Hansen und Michael Theis haben TKKG illustriert. Spannend, mit viel Licht und Schatten und mit sehr viel Liebe zum Detail.


Hattest du einen großen Einfluss auf die Verpackungs- und Bookletgestaltung?

Die allerersten Booklets und Verpackungen habe ich selber gemacht. Aber schon schnell hatten wir Grafikerinnen, die das viel besser konnten als ich. Zwischenzeitlich waren wir über 70 Leute. Ich hatte eine große Grafikabteilung und die Arbeit hat uns allen viel Spaß gemacht. Es waren schöne Inhalte und abwechslungsreiche Themen. Vom Booklet über Verpackungen, Plakate, Kataloge, Pressemappen bis hin zu Messeständen – wir haben wirklich alles selbst gestaltet.


Es gab Mini-Spiele von Tivola, die später in Spiele-Boxen gesammelt erneut erschienen. Waren das die ersten Produkte von Tivola?

Das waren die allerersten Spiele, das stimmt. Ich glaube, die waren sogar noch auf Diskette. Zum Beispiel eine schlafwandelnde Oma, die auf einem Dachfirst balanciert und die Etagen hindurch rutscht, in eines der beleuchteten Fenster. Das Spielprinzip ist eigentlich „Drei in einer Reihe“. Diese Oma mit dem Haus habe ich damals auch illustriert. In Hamburg wurde dann programmiert. Das ging alles noch recht zügig, das war super.


Euer erstes großes Spiel war „Max und die Geheimformel“. Wie habt ihr es als junges Startup geschafft, dieses umfangreiche Projekt zu realisieren?

Das haben wir nebenher gemacht, als wir noch alle in unseren eigentlichen Jobs arbeiteten. Zuerst habe ich das Drehbuch geschrieben, Mil war immer beratend dabei. Dann fingen wir an die Geschichte mit dem Hamburger Produktionshaus Contor Interaktiv zusammen zu programmieren und auszuloten, welche Möglichkeiten es in der Programmierung gab. Morgens war ich in meinem Job bei SAT.1 und abends im Produktionshaus. Zur Buchmesse 1995 konnten wir dann unser erstes Spiel fertig illustriert, animiert, vertont und programmiert präsentieren.

Das Spiel wird übrigens gerade als App wieder herausgebracht. Tivola macht das zum 20jährigen Bestehen. Ich habe ich eine Testversion gespielt. Die Programmierer haben meine ganzen Originalbilder nachgemalt und die Figur neu animiert. Es ist wirklich derselbe Look, nur eben jetzt auf dem iPad bzw. Smartphone, also mit Touchbedienung statt Mausklick.


Fast alle eure CD-ROMs liefen sowohl auf dem PC und Mac. Warum?

Weil zu unserer Zielgruppe designlastige Menschen wie z. B. Grafiker und alle Designer gehörten und die hatten halt meistens einen Mac. Aus Kostengründen wurde das eingestellt. Wäre es nach mir gegangen: Ich hätte das immer weiter so gemacht.


Nach welchen Kriterien habt ihr die Stoffe für eure CD-ROMs ausgesucht?

Wir wollten zunächst unsere drei Segmente, die Spiel-, Sach- und Detektivgeschichten, festigen. Dann hat sich herausgestellt, dass es sich mehr lohnt, auf bereits bekannte Charaktere aus Buch und TV aufzusetzen.

Max haben wir lange weiter gemacht, Oscar auch. „Oscar der Ballonfahrer“ kam ja sogar 2010 als Zeichentrickserie in den KiKA. Er läuft immer noch. Freddy den Vampir habe ich für schulbasierte Lernspiele entworfen. Aber das sind die einzigen selbstentwickelten Charaktere, die überlebt haben. „Biene Maja“, „Wickie“, „TKKG“, „Peanuts“ und „Die Sendung mit der Maus“ oder „Lillifee“ waren in ihrer Bekanntheit einfach nicht zu toppen. Also haben wir uns passende Geschichten für diese schon so bekannten Helden ausgedacht. Die Geschichten mussten wir natürlich mit den Lizenzgebern abgleichen. Aber da hatten wir Glück, das hat eigentlich immer ganz gut funktioniert.


Warum habt ihr Lizenzen vom ostdeutschen Kinderbuchverlag nicht genutzt, wie ursprünglich gedacht?

Wir haben nie etwas von dem Verlag genommen, weil die Bücher in Wahrheit doch viel zu unbekannt waren und die Illustrationen entweder zu altmodisch oder sich technisch nicht eigneten.


Für mich war Tivola vom Start weg sehr erfolgreich. Wie erklärst du dir das?

Ich glaube, das war einfach Glück. Das war noch eine Zeit, in der es in den Zeitschriften und den Zeitungen eine Seite oder eine Rubrik gab für „Neue Medien“. Man hatte einfach viel mehr Plattformen dafür und weniger Konkurrenz. Was wir machten, war total neu in Europa. Bewegte, vertonte Bilderbücher, deren Geschichten man selbst beeinflussen konnte. Wir waren sowas wie „first mover“. Wir haben etwas gemacht, was es vorher noch nicht gab. Es gab viele Leute, die das spannend fanden. Ich glaube, der Erfolg war wirklich dem Zeitgeist, der Innovation geschuldet.


Der Computerspielmarkt hat sich in den letzten 20 Jahren häufig gewandelt. An welche gravierenden Veränderungen in deiner Zeit bei Tivola denkst du zurück und wie hat sich Tivola den Herausforderungen gestellt?

Der CD-ROM-Markt war am Anfang schön übersichtlich. Wir haben unsere ersten CD-ROMs für 90 DM verkauft. Dann kam die ganze internationale Konkurrenz und am Ende auch eine Sättigung des Marktes. Es wurde einfach weniger gekauft, mehr ausgeliehen oder auf Flohmärkten gekauft, im Übrigen auch hemmungslos schwarz gebrannt und es gab auch viele Spiele, die einfach billiger waren.

Dann haben wir versucht, uns der Entwicklung der Plattform anzupassen. Der Schritt von der CD-ROM auf Nintendo DS und von Nintendo DS zur Wii und ins Internet. In meinen Augen hat das aber alles im Grunde nicht wirklich funktioniert. Gerade weil Nintendo einen total anderen Look hatte. Super Mario hatte eine eigene Dynamik und solche hektischen Spiele wollte ich persönlich nie machen. Sowas ist meiner Meinung nach wirklich nicht gut für Kinder. Also das, was offenbar viele Kinder wollten, das wollten und das konnten wir gar nicht bedienen. Hinter Super Mario und Co steckten ja auch viel höhere Investitionen als hinter unseren Spielchen.

Wir waren ja immer mehr die Langsamen, die mit dem Denken, die mit etwas anspruchsvollerer Grafik und auch die, die lustige und richtige Geschichten erzählten. Das war immer etwas weniger gefragt, unsere Zielgruppe war immer mehr Bildungsbürgertum, wir waren einfach nicht totaler Mainstream.

Die Entwicklung der Games ging immer mehr in Richtung Geschicklichkeit und Wettbewerb. Wir haben versucht, auf unsere Art mitzuziehen. Bei TKKG gab es z. B. ja immer dieses Schlussspiel, bei dem es um Geschicklichkeit oder Schnelligkeit ging.


Gab es deshalb den Wechsel zu den vielen 3-D-Spielen?

Ja, natürlich. Wir haben versucht, mit unseren Geschichten aktuell und zeitgeistig zu bleiben. Der allgemeine Look änderte sich rasend schnell in der Zeit. Es war ja unglaublich, was diese Ballergames an grafischer Qualität damals plötzlich leisten konnten. Ich finde es ja gar nicht so erstrebenswert, wenn Computergrafik aussieht „wie in Echt“. Dann kann man ja gleich einen Film machen. Aber viele Menschen stehen darauf. Die lieben genau das. Eine solche Produktion ist so aufwändig, das hätten wir auch niemals finanzieren können. Auch nicht, wenn man die Produktion in billiger produzierende Länder verlagerte.


Wie kam es, dass in den Anfängen das Meiste in Hamburg entstand und später in Berlin?

Weil ich zur SAT.1 Zeit noch in Hamburg lebte und wir die Produktionshäuser hier kennengelernt hatten. Von Berlin aus bin ich dann immer gern nach Hamburg gefahren. Ich habe ich das oft genutzt, und war Montag oder Freitag im Produktionshaus und hatte ein langes Wochenende in Hamburg, meiner Heimat. Die Musiker waren hier in Hamburg, die Geräuschemacher, die Tonstudios und Sprecher – alles eigentlich. Irgendwann wurde das schwierig mit dieser Fahrerei. Dann haben wir alles in Berlin machen lassen. Es war damals auch noch vieles günstiger in Berlin.


Ab wann hattet ihr ca. 70 Mitarbeiter und eine eigene Grafikabteilung?

Ich glaube 1999. Da hatten wir ganz viele Lizenzen gekauft. Der Erwerb der interaktiven TKKG-Rechte war ein echter Meilenstein für uns. Da sahen wir, dass Lizenzen viel mehr einbringen als eigene Charaktere wie z. B. „Ein Fall für Mütze & Co“. Einfach, weil man auf diesen Bekanntheitsgrad aufsetzt. In der Zeit, in der wir diese ganzen Lizenzen wie „Wickie“ oder die „Biene Maja“ kauften, das war so kurz vor 2000, arbeiteten wir mit etwa 70 Mitarbeitern auf zwei großen Fabriketagen.


Wieso seid ihr nicht so groß geblieben?

2000 gab es diesen riesigen Mediencrash. Und auch wir wurden hart getroffen. Wir hatten Probleme mit einem Auslieferungslager, das pleitegegangen war. Wir bekamen von denen kein Geld mehr für die bereits ausgelieferte Ware. Auf der anderen Seite hatten wir Rechte an vielen neuen Charakteren gekauft. Die sollten in einem neuen Channel, ähnlich dem Kinderkanal gesendet werden. Wir hatten also die interaktiven Rechte von diesen ganzen Figuren erworben und dachten, wir können zu all diesen erfolgreichen Serien dann CD-ROMs rausbringen. Das alles hat aber nie stattgefunden. Diesen Sender gab es nie und diese Serien auch nicht. Also waren unsere Rechte, die wir für viel Geld erworben hatten, nichts mehr wert. Diese beiden Umstände haben uns ganz schön ins Trudeln gebracht und wir mussten dann unglaublich sparen.


Ihr habt zu dritt Tivola gegründet. Heute arbeitet keiner von euch mehr dort. Wer ist wann weggegangen?

Carlo Voelker ist, glaube ich, 2001 nach Amerika gegangen. Er betreibt dort eine Firma: Viva Media. Dann wurde Tivola übernommen und Mil Thierig ging bald darauf, das war 2004. Das war blöd für mich. Ich bin dann mit der Schließung der Kreativabteilung 2011 gegangen


Wer hat euch übernommen?

Wir sind von der ddvg übernommen worden. Die „Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft“ gehört zum Unternehmensbereich der SPD. Die ddvg ist immer noch Gesellschafter bei Tivola, glaube ich. Sie haben damals einen neuen Geschäftsführer eingesetzt, Christopher Koeppler.


Heute ist der Firmensitz von Tivola in Hamburg. Wie kam es dazu?

Es gab eine Zeit, in der Tivola in Berlin und in Hamburg einen Sitz hatte. Da Koeppler Hamburger ist, hatte er ein privates Interesse eine Dependance in Hamburg aufzubauen. So konnte auch ich 2005 wieder nach Hamburg ziehen. Das hat der Firma insgesamt nicht gut getan. Die PR [Public Relations], Öffentlichkeitsarbeit, Teile des Vertriebs, die Geschäftsführung und die kreative Leitung saßen in Hamburg und die Produktions- und Grafikabteilung in Berlin. Wir sind alle viel gependelt. Das führte zu Kommunikationsproblemen.


Im nächsten Artikel:
Die TKKG-Lizenz: Barbara Landbeck spricht über Erfahrungen mit Detektivspielen, den TKKG-Autor Stefan Wolf und ihrer Arbeit an TKKG.

Das Interview fand im Oktober 2015 in Barbara Landbecks Kunstschule statt.

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