Martin Hofstetter 2011
Martin Hofstetter

Mit Folge 182 hat Martin Hofstetter sein erstes TKKG-Hörspiel ohne Buchvorlage geschrieben. Im Interview spricht er über die Unterschiede zwischen Buch und Hörspiel, das Magierthema des neuesten Falles und was es bei TKKG wohl nie geben wird …

Wie wurden Sie TKKG-Hörspielautor?

Das passierte relativ unspektakulär. Meine Lektorin bei cbj schlug mich bei EUROPA vor. Ich lernte die dortige Redakteurin kennen und wir fanden auf Anhieb gut zusammen. Da ich für das Schreiben von Drehbüchern ausgebildet wurde, war mir das Schreiben von Hörspielen nicht fremd. Sowohl Drehbücher als auch Hörspielskripte sich dramatische Texte.


Muss man da zum Buch stark umdenken?

Auf jeden Fall muss man an ein Hörspiel anders rangehen als an ein Buch. Ich bin der Überzeugung, dass man eine Geschichte auf ein bestimmtes Medium hin entwickelt. Die Anforderungen an eine Geschichte ändern sich mit dem Medium. Bei einem Buch hast du mehr Raum, du kannst Spannungen auf mehreren Ebenen langsamer aufbauen. Ein Buch braucht einen längeren, tieferen Atem. Ein Buch liest man ja selten in einem Schwung. Man legt es auch mal weg – dann will man, dass etwas nachklingt. Ein Hörspiel hört man normalerweise in einem Schwung – so wie beim Film. Das erfordert einen anderen, einen klareren Spannungsbogen. Außerdem hat man beim Hörspiel viel weniger Platz als beim Buch. Man muss also viel schneller zum Punkt kommen. Eine Geschichte, die als Buch funktioniert, muss noch lange nicht als Hörspiel funktionieren. Ich sage nicht, dass Adaptionen grundsätzlich nicht funktionieren – bei den allermeisten TKKG-Geschichten hat es ja auch funktioniert. Aber wie wir alles wissen, gibt es immer wieder Romanverfilmungen, die überhaupt nicht funktionieren. Ich glaube, dass man sich als Autor bei Adaptionen den Freiraum nehmen muss, eine Geschichte auch zu ändern, wenn es erforderlich ist. Von Buch auf Hörspiel muss zum Beispiel meist der Anfang gekürzt werden, damit man als Hörer schneller hineingesogen wird ins Abenteuer.


Unterscheidet sich der Ablauf für Sie als Autor beim Hörspiel sehr zum Schreiben eines Buches?

Für mich unterscheidet sich der Ablauf nicht grundlegend. Ich finde ein Thema oder ein „interessantes“ Verbrechen. Vielleicht beginnt man auch mit einem außergewöhnlichen Setting oder – beim Hörspiel – mit einem interessanten Geräusch. Drum herum bilde ich nach und nach die Geschichte, überlege mir falsche Fährten und spanne den dramaturgischen Bogen. Das passiert bei mir alles analog – auf unzähligen Papieren, Karteikarten und einer großen weißen Pinnwand. Wenn alles fertig ist, tippe ich es runter. Die erste Fassung entsteht. Dabei werden die Dialoge geboren – und das Hörspiel bekommt seine Seele. An ein Buch gehe ich da nicht anders ran.


Gab es bei Random House oder bei Sony eine Fibel mit Informationen zur Serie als Hilfe beim Schreiben / sonstige Vorgaben?

Wie ich das kennengelernt habe, vertrauen cbj und Sony ihren Autoren und geben ihnen deshalb nur die nötigsten Vorgaben. Eine Serienfibel im klassischen Sinne habe ich noch nicht zu Gesicht bekommen; wohl aber ein Dokument, in dem die notwendigen Anpassungen der Kalmuczak-Charaktere an unsere Zeit beschrieben werden. Sonst gab es bisher nur wenige spezielle Vorgaben. Das finde ich sehr angenehm. Ich denke, wenn das Grundgerüst – sozusagen die Einfriedung – stimmt, dann sind „Vertrauen schenken“ und „Freiraum geben“ der Nährboden, aus dem gute Geschichten erwachsen können.


Wie erschließen Sie sich ein Thema / Plot?

Ich bin ein sehr neugieriger Mensch und interessiere mich für ganz unterschiedliche Dinge. Es gibt kaum eine Wissenschaft, kaum ein Fachgebiet, kaum ein gesellschaftliches Thema, das ich nicht reizvoll finde. Wenn Thema oder Setting für einen TKKG-Fall feststehen, lese ich alles, was ich dazu finden kann. Ich schaue mir Filme und Reportagen an, denke darüber nach und rede mit Leuten darüber – falls ich welche kennenlerne, die mit Thema oder Setting etwas zu tun haben. Das macht mir großen Spaß. Ich weiß nicht, wie viele Stunde ich damit verbracht habe, Magier und deren Zaubertricks anzuschauen, bevor ich TKKG 182 geschrieben habe. Und dann natürlich die Auflösungen zu den Zaubertricks – das war super spannend! Man denkt, dass große Magier spezielle Tricks anwenden – aber nein, die kochen alle nur mit Wasser. Große Magier, wie etwa David Copperfield, kombinieren raffinierter und sind besser in Sachen Ablenkung und Bühnenshow – aber die Tricks hinter den Kunststücken sind immer verdammt banal. Das Teleportationskunststück von Alessandro Andrea Giovini, das in TKKG 182 beschrieben wird, haben so oder so ähnlich viele Magier vorgeführt. Es ist äußerst effektvoll. Aber der Trick ist – wie immer – sehr einfach. Alles eine Frage von Timing und Lenkung der Aufmerksamkeit des Publikums. Darum werden in TKKG 182 auch nicht mehr Zaubertricks enthüllt. Ich will Rücksicht nehmen auf diejenigen Hörerinnen und Hörer, die die Welt der Magie lieber nicht entzaubert haben wollen.


Welcher der Hauptprotagonisten ist Ihre Lieblingsfigur?

Als Autor muss ich alle meine Figuren lieben. Und das tue ich auch. Ich sage bewusst „meine Figuren“. Rolf Kalmuczak hat sie erschaffen, aber wenn ich mit ihnen arbeiten soll, muss ich sie mir zu eigen machen. Anders geht das ja gar nicht. Ich mag sie alle und kann es mir nicht leisten, einer Figur den Vorzug zu geben. Das wäre nicht fair und würde den Geschichten schaden.

Privat habe ich eine Lieblingsfigur. Ich bitte aber um Verständnis, dass ich sie hier lieber nicht preisgeben will.


Was ist für Sie das Besondere an den TKKG-Hörspielen? Unterscheiden Sie die Bücher- und die Hörspielwelt?

Das Besondere an den TKKG-Hörspielen ist natürlich das akustische Moment. Man hört die Stimmen der Figuren, die Geräusche, die Musik. Das macht ein Hörspiel ja aus. Man schließt die Augen und lässt sich von der Geschichte in eine andere Welt saugen, die Welt von TKKG.

Von den Welten her unterscheide ich bei TKKG-Buch und TKKG-Hörspiel nicht grundsätzlich. Die Hauptzielgruppe ist bei den Hörspielen vielleicht noch ein, zwei Jahre niedriger angesetzt. Aber das verändert die Welt nur in sehr geringem Maße.


Was begeisterte Sie beim Schreiben an „Im Bann des Übersinnlichen“?

Wie oben bereits ausführlich beschrieben, war es toll für das Magier-Setting zu recherchieren. Es war auch interessant ein Zauberkunststück zu finden, das für ein großes Finale taugt. Das ist ja gar nicht so einfach, weil die meisten Zauberkunststücke nur in einem vorher festgelegten Rahmen funktionieren. Spontan – zum Beispiel während einer Verfolgung – kann auch ein Copperfield nicht durch Wände gehen …

Ja und dann machte es mir auch Spaß, Kleinigkeiten einzubauen, die treue Fans an alte Folgen erinnern. Wenn zum Beispiel der Alpenflitzer auf dem Rummel erwähnt wird – oder wenn Dr. Olaf Freund oder Frau Klamm mal wieder auftauchen oder genannt werden. Sowas mag ich. Mit all den schleichenden Veränderungen bei TKKG hat man es als Fan der ersten Stunde nicht immer leicht. Ich finde, da sollte es auch ein paar Dinge geben, die direkt mit alten Folgen in Verbindung stehen. Auch wenn es nur kleine Details sind, weil die Geschichten bei TKKG natürlich inhaltlich nicht aufeinander aufbauen können. Aber Kleinigkeiten erhalten die Freundschaft.


Waren Sie bei den Aufnahmen dabei? / Würden Sie gerne bei Hörspielaufnahmen dabei sein?

Ich war bei den Aufnahmen zu TKKG 182 nicht dabei. Das hat terminlich nicht geklappt. Aber ich würde gerne mal dabei sein. Nicht zwingend bei der Aufnahme eines eigenen Hörspiels, das muss ich gar nicht haben. Aber ich würde mich freuen, die Leute von der Produktion kennenzulernen. Und die Sprecher natürlich auch.


Wie ist es, das fertige Hörspiel zu hören?

Es ist toll, wenn aus einem bloßen Text, aus Buchstaben auf Papier mit Hilfe von vielen Beteiligten ein lebendiges Hörspiel wird. Beim ersten Anhören war ich sehr gespannt. Innerlich konnte ich jeden Satz auswendig mitsprechen. Es ist schön, zu hören, was die Sprecher und die Menschen in der Produktion und Postproduktion aus dem Text gemacht haben. Beim Zuhören gibt es immer wieder kleine Überraschungen und das ist gut so. Ich finde, das Team hat das Skript gut umgesetzt.


Was würden Sie gerne im TKKG-Universum ansiedeln, aber dennoch nie schreiben?

Ich verstehe die Frage nicht ganz, aber es gibt da eine Sache bezüglich TKKG, die schon lange in meinem Kopf herumgeistert: eine Geschichte, 30 Jahre nach der Zeit, in der TKKG jetzt spielt – zum Beispiel als TV-Miniserie mit abgeschlossener Handlung nach vielleicht sechs Folgen. Die vier Protagonisten sind 30 Jahre älter, haben ihr halbes Leben hinter sich, sind vielleicht zum Teil aus alten Jugendmustern ausgebrochen oder zu ihnen zurückgekehrt, haben Höhen und Tiefen durchgemacht, Beziehungen begonnen und wieder beendet, haben Enttäuschungen erlitten und sind vielleicht auch in ihrer Einstellung zum Leben ein bisschen nüchterner geworden. Ein Kriminalfall führt Peter, Gaby, Willi und Karl wieder in der Millionenstadt zusammen – sie hatten sich längst aus den Augen verloren, während jeder sein Leben gelebt und sein Glück gesucht hatte. Es sollte ein spektakulärer Kriminalfall mit Thrillerelementen explizit für Erwachsene sein. Die Idee wäre, dass das Genre mit den treuen TKKG-Fans mitgewachsen ist. Es gibt durchaus packende TV-Miniserien, die vorzeigen, wie hochwertig Erwachsenenkrimis sein können. Ich denke zum Beispiel an „Die Brücke“ („Bron/Broen“) – eine dänisch-schwedische Koproduktion aus dem Jahr 2011, die ein Jahr später auch im ZDF ausgestrahlt wurde. Ich habe selten so spannende, vielschichtige, mehrdimensionale Ermittlercharaktere in einem Fernsehkrimi gesehen.

Keine Angst, all das wird natürlich niemals passieren! Allein schon deshalb nicht, weil es nicht zwei so unterschiedliche Zielgruppen für eine Marke geben kann. Das täte dem Jugendhörspiel ganz gewiss nicht gut. Es wird also niemals passieren – und das ist auch gut so! Aber in meinem Kopf kann es durchaus passieren … Da bastle ich gerne an einer solchen Geschichte, stelle mir vor, welchen Lauf das Leben jedes einzelnen Protagonisten genommen haben könnte, und was passieren würde, wenn die vier unverhofft wieder zusammenträfen …

 

Die Fragen beantwortete Martin Hofstetter am 22. April 2013.

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Die letzten Kommentare


Verfasst von Clopin am 03.06.2013, 11:16

Danke für dieses tolle Interview! Glasklar und sachlich auf den Punkt gebracht. Nach meiner bescheidenen Meinung klingt das, was Herr Hofstetter zum Thema TKKG zu sagen hat, hieb- und stichfest. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass die Vier aus der Millionenstadt bei ihm in guten Händen sind. Rolf Kalmuczak, die Alt-Fans werden sich vielleicht erinnern, hat 1984 auch den roten Faden in die Zukunft gesponnen: Klößchen als Direktor der väterlichen Schokoladenfabrik, Tarzan zieht als Bauigenieur am Mittelmeer Wolkenkratzer hoch und ist verheiratet mit Gaby, die sich als Tierärztin von kranken Hunden die Pfote geben lässt und Karl ist an der Uni als Mathe-Professor mit dem Computer-Gehirn. Das Gedankenspiel steht also in einer guten Tradition. Herrn Hofstetter wünsche ich ein glückliches Händchen mit TKKG.
Clopin

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